Schon mit ihrer ersten CD „Los Ángeles“ erregte sie einiges Aufsehen. Raúl Refree an der Gitarre brachte die puristischen Flamencoseelen zum Kochen, die „Flamenco Talibans“ wie Oliver Farke sie genannt hätte, sprangen vom Sofa auf und schrieben vernichtende Kritiken. Nichtsdestotrotz ist es eine großartige CD mit Suchtfaktor. Das Thema der CD war der Tod, Raúl Refree beschäftigte sich mit der Produktion und den Arrangements, Rosalía suchte die Texte, basierend auf dem, was sie von ihrem Lehrer José Miguel Vizcaya, „El Chiqui“ gelernt hatte, als Bonustrack kam noch die Version von „I see a darkness“ drauf, aus sentimentalen Gründen, weil es das erste Stück war, das sie gemeinsam gespielt hatten. Es ist aber auch so etwas wie ein Statement. Musik war das Wichtigste, egal welchen Genres.
Seit einigen Tagen ist ihr neues Album „El Mal Querer“ auf Youtube abrufbar, hier einige Zahlen: Der Titelsong „Malamente“ steht bei fast 30.000.000 Clicks, das Lied „Pienso en tu mirá“ erreichte 1 Million Clicks an einem Tag, Rosalía hat 369.000 Follower auf Instagram und mehr als 70.000 auf Spotify.
„El Mal Querer“ hat 10 Kapitel, also 10 Songs, jedes ein eigenes Bild und ein eigenes Thema, das Kapitel 2 heißt „Boda“ und das Bild dazu ist inspiriert vom Gemälde „Las dos Fridas“, gemalt von Frida Kahlo nach ihrer Trennung von Diego Rivera.
„El Mal Querer“ ist eine konzeptionelle Platte, ein Projekt, es gibt mehrere Zweige, mehrere Säulen, auf der einen Seite ist die Platte und auf der anderen Seite sind die Live Performances, die Visuals und die Videos.
In „El Mal Querer“ geht es um die Geschichte einer dunklen Liebe, einer Liebe mit Widerständen, diese Art der Liebe beschäftigt sie schon seit langem, wie sie in Interviews erzählt.
Es ist Teil einer Geschichte, eines Romans aus dem 14. Jahrhundert eines anonymen Autors mit dem Titel „Flamenca“. Die Geschichte einer Frau, die einen Mann heiratet und die damit endet, dass dieser Mann sie aus Eifersucht einsperrt. Von dort aus geht der Roman woanders hin, aber die CD hat eine Struktur und sie erzählt eine Geschichte, wenn auch eine andere. Frauenpower? Auf jeden Fall! Bei Rosalía gewinnen am Ende immer die Frauen.
Gleich nach Beendigung ihres ersten Albums begann Rosalía mit der Arbeit an ihrer neuen CD. Im Zentrum steht natürlich ihre Stimme, wie überhaupt der Gesang, inspiriert von allen möglichen Genres wie der afrikanischen Musik, dem Pop, Trap, allen urbanen Musikrichtungen eigentlich, aber auch dem gregorianischen Choral, amerikanischen Popsongs und meisterhaft arrangiert. Dass die Basis der Flamenco ist, ist auch offensichtlich, manchmal mehr sichtbar, manchmal weniger.
In einem ihrer zahllosen Interviews, die sie in letzter Zeit gab – man wundert sich ja, dass sie noch zum singen kommt – stellte sie ihren Standpunkt wieder einmal klar:
„Der Flamenco ist wie jedes andere Genre. Die Genres, um lebendig zu sein, müssen immer in Bewegung sein, und ich denke, es ist wichtig, dass es Künstler gibt, die immer der Tradition und den Wurzeln Tribut zollen, aber es gibt andere, die diesen Status quo erschüttern. Dass sie dort sind und sich bewegen, um dieses Genre am Leben zu erhalten, ist für mich der einzige Weg.
Und ich verstehe auch, dass es Menschen gibt, die den Flamenco auf eine bestimmte Weise lieben, und sich bei manchem, das darüber hinausgeht , nicht mehr vertreten fühlen. Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die sich dieser Musik so verbunden fühlen, dass sie sie nur auf diese Weise leben können.“
Oben ein Bild von Rosalía bei einer Probe mit Alfredo Lagos in Amsterdam, bevor alles begann.
Im Gegensatz zu manchen Kritikern ist Rosalía ja sehr großzügig und vergreift sich niemals im Ton, sie ist liebenswürdig, aufmerksam und interessiert und in jeder ihrer Antworten spürt man ihre Intelligenz, aber auch ihre Kompromisslosigkeit und der Erfolg gibt ihr recht.
Einer ihrer Fans ist übrigens Pedro Almodóvar, in dessen nächstem Film sie demnächst zu sehen sein wird an der Seite von Penelope Cruz. Auch begeistert und wie immer mit Instinkt für Künstler/innen mit Zukunft ist die österreichische Firma Red Bull, die ihr Freiluftkonzert in Madrid sponserte, für das man sich bei freiem Eintritt übers Internet anmelden konnte. Die 11.000 Karten waren in einer halben Stunde weg und das Konzert ein voller Erfolg.
Nach vielen Jahren der Krise hat Spanien nun einen Superstar, die ganze Welt blickt nach Spanien, titelte ein New Yorker Blatt, was auch wichtig ist für die vielen jungen Künstler/innen, die in den Startlöchern stehen und sich plötzlich wieder der Illusion hingeben können, eine Zukunft zu haben. Rosalía ist gerade 24 Jahre alt und ich bin ein Fan – oder habe ich das schon erwähnt… ?
Titelfoto: Oscar Romero