Immer wenn ich an Rocío Márquez dachte, hatte ich ein ätherisches Wesen vor Augen, etwas zartes, flüchtiges, leichtes, eine von Licht durchflutete Erscheinung, diese hellen, fast durchsichtigen Augen, das lange, blonde Haar, diese Zurückhaltung, dieser Respekt vor der Musik und vor der Kunst, dieses Tremolo, dieses sich Zurücknehmen, dieses genaue Treffen der Töne, dieses Suchen nach Perfektion. Nun, seit gestern ist alles anders.
Was Rocío Márquez in der Sala Turina mit den drei Musikern vom Proyecto Lorca gezeigt hat war ein Erdbeben. Eine Revolution. Ein Outcoming einer Sängerin im Vollbesitz ihrer Kräfte. Flamenco? Ja natürlich, aber noch viel mehr. Eine Stimme, die aus dem vollen schöpft, ein unendlicher Atem, ein Ton, der vom Pianissimo bis zum Fortissimo alles beherrscht, einfach unglaublich. Vom ersten bis zum letzten Ton hatte sie diesen Saal in der zarten Hand, unerbittlich peitschte sie die Zuschauer durch die Cantes, Bulería, Romance, Fandangos de Huelva, bei den Caracoles gab es kein Halten mehr, euphorisch das Publikum, grandios das Ensemble. Am Klavier der Pianist und musikalische Leiter Dani Marente, klassisch und melodisch und hochsensibel, am Sax und der Klarinette Juan Jiménez, schräg und modern und an der Perkussion der unvergleichliche Antonio Moreno, der beste Perkussionist des Panoramas, vergessen Sie den Cajón, wenn Sie wissen wollen, was Perkussion wirklich kann, erleben Sie ihn auf der Bühne.
Die Marimba? Die Bombos? Die klassischen Tschinellen? Das einzige Problem, das ich sehe ist, dass er so eine starke Bühnenpräsenz hat, dass man aufpassen muss, dass die Augen nicht immer zu ihm abwandern, aber nein, er drängt sich nicht in der Vordergrund, er ist einfach überall.
Wahrscheinlich sollte ich diese Kritik erst in einer Woche schreiben, wenn ich das alles verdaut habe, aber das Wichtigste ist eigentlich das: Es ist das erste Konzert in meinem Flamencouniversum, von dem ich überzeugt sagen könnte: Das ist ein Konzert, das überall bestehen kann, wo es um Musik geht: Flamenco, Jazz, Zeitgenössisch, Stimme, Instrument, was auch immer, Musik auf höchstem Niveau.
Un concertazo würden die Spanier sagen, bei uns gibt es das leider nicht, diese Steigerung, aber das war es, etwas wirklich Großes.
Cante: Rocío Márquez, Perkussion: Antonio Moreno, Sax: Juan Fernández, Klavier: Dani Marente
Foto: Leider schlecht, weil von mir.