Mit den Konzerten für Gitarre und Orchester ist es so eine Sache…eigentlich führt dieses Instrument ein Stiefkind-Dasein im Orchestergraben, abgesehen von Hochblüten zur Zeit der klassischen Periode mit den damals in aller Welt bekannten Gitarristen und Komponisten Mauro Giuliani und Fernando Sor. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die klassische Gitarre unter anderem mit Werken des kubanischen Komponisten Leo Brower eine neuerliche Renaissance, der deutsche Komponist Hans Werner Henze komponierte z.B. damals auch für Gitarre und Orchester.
Um so größer ist natürlich der Reiz für viele Gitarristen, diese große Klangwelt auch einmal für sich zu erobern, als Beispiel sei Paco de Lucía mit der Einspielung des berühmten „Concierto de Aranjuez“ von Joaquín Rodríguez genannt, mit der er zum zweiten Mal, von den Hütern des reinen klassischen Tons argwöhnisch beäugt, die Grenzen seines ursprünglichen Genres überschritt. Dabei fügt sich gerade der härtere „Sound“ der Flamencogitarre sehr schön, weil eben so kontrastreich, in den Orchesterklang ein.
„Poeta“, 1997 von Vicente Amigo herausgebracht, sucht die Verbindung von Flamencostilen bzw -rhythmen mit orchestralem Klang, in durchdacht kompositorischem Ineinandergreifen, wohlgemerkt, im Gegensatz zum Streichersound als Beiwerk so mancher Flamenco-CD.
José Garlos Gómez veröffentlicht nach seiner Solo-Flamencogitarren-CD „Origen“ nun ein Werk für Flamencogitarre und Orchester, eine Eigenkomposition in drei Teilen, aufgenommen 2018 mit dem Symphonieorchester von Bratislava.
„Pasaje Andaluz“ heißt das Album, auf dieser „Durchreise“ vermengt sich Andalusisches mit verschiedenen musikalischen Einflüssen, seien es die argentinischen Tangos in der ersten Nummer „Algeciras“, benannt nach dem Heimatort des 1972 dort geborenen, vielseitigen Künstlers, oder das fast programmatisch wirkende dritte Stück „Mar del Sur“, das zu Beginn fast leichte Assoziationen mit Vivaldi hervorruft, bevor die „guitarra flamenca“ die Oberhand gewinnt. Kurz höre ich in Nummer zwei, Morelía, zarte Anklänge an das vorhin schon erwähnte „Concierto de Aranjuez“, der Titel bezieht sich auf die gleichnamige mexikanische Stadt, wo im September 2018 die Uraufführung des Werkes stattfand. …Anklänge also, Anspielungen wäre wohl schon zu viel gesagt.
Interessant ist das ja mit den Konzerten für (Flamenco)gitarre und Orchester, sie haben allesamt eine Tendenz zu einem stark romantischen Einschlag, harmonisch gesehen. So, als müsste man wegen dieses doch leicht verbotenen Ausflugs mit dem Instrument Gitarre nun versöhnliche Töne anstimmen. Vielleicht ist es aber auch die Möglichkeit, einmal dem, letztlich fruchtbar wirkenden Korsett der Flamencorhythmen entronnen zu sein und nun eigene Emotionen rhythmisch/stilistisch unbehindert musikalisch ausdrücken zu können.
Gut komponiert ist das dreiteilige Werk, gleichzeitig in sich geschlossen, der für Gitarristen nicht einfache, von Gestaltungswillen geprägte Ausflug in das orchestrale Stimmengewirr hat sich bei dieser vielerorts hochgelobten CD gelohnt. Die eher unbedarften Hörer werden bisweilen gar nicht erkennen, dass hier eine Flamencogitarre mit den Streichern wetteifert, so manche Flamenco-Aficionados werden vielleicht etwas vermissen; aber so ist Kultur eben, jede/jeder sucht etwas anderes!
Das Album wurde in Bratislava aufgenommen und in Los Angeles von einem der besten Toningenieure der Welt, Rafa Sardina, Gewinner von 12 Grammys, gemischt. Es ist bereits im Handel erhältlich. Zu bestellen u.a. bei www.deflamenco.com
Text: Bruno Chmel