Mercedes Ruiz, Mercedes de Córdoba begann mit vier Jahren zu tanzen, mit sechs Jahren stand sie vor der Kamera im Pflichtfilm „Montoyas y Tarantos“, mit zwölf Jahren ging sie zum ersten mal auf Tournee. Sie studierte klassischen- und Flamencotanz, gewann zahlreiche Preise und choreografiert heute für viele Tänzer und Tänzerinnen. Sie ist nicht nur eine großartige Künstlerin sondern auch ein wunderbarer Mensch. Sensibel, voll von Emotionen, ehrlich zu sich selbst und zu anderen ist sie absolut authentisch und immer auf der Suche nach der Wahrheit. In Juan Campallo hat sie einen Partner gefunden, mit dem sie ihr Leben teilt, als Künstlerin und als Frau.
Ihr neuestes Projekt hat viel Aufsehen erregt, weil sie eine der wenigen ist, die es wagt in diesen schwierigen Zeiten eine Kompanie zu gründen. Die Premiere wird Anfang nächsten Jahres stattfinden.
Das Mädchen Mercedes
Ich habe schon mit vier Jahren angefangen zu tanzen und das war eigentlich ein Zufall, denn in meiner Familie hat niemand getanzt oder Musik gemacht, meine Mutter hätte schon gerne getanzt, aber damals war das nicht gut angesehen und so erlaubte es ihr mein Großvater nicht. Um auf die Feria zu gehen musste man aber zumindest Sevillanas tanzen können und so bat meine Mutter eine ihrer Freundinnen ihr zu helfen. Die kam also zu uns nachhause um ihr die Schritte zu zeigen. Ich saß inzwischen in einer Ecke mit meinen Spielsachen und schenkte ihnen keine Beachtung, so erzählten sie mir. Bei der zweiten Strophe hatte meine Mutter ziemliche Schwierigkeiten und einer der Schritte wollte ihr einfach nicht gelingen. Da stand ich mit meinen dreieinhalb Jahren plötzlich auf und sagte – Ach Mama, wie ungeschickt du bist, so geht das!- und zeigte ihr den Schritt vor.
Da standen sie dann um mich herum und schon am nächsten Tag brachten sie mich in eine der Schulen für die Kleinsten und der Lehrer war begeistert und sagte – Das Mädchen bleibt hier – und so war es dann auch.
Und dann kam Javier
Das war der Anfang und dann ging ich weiter in eine der Academias meines Viertels, bis eines Tages Javier Latorre vorbeikam, und ehe ich mich versah stand ich in der Kompanie von Eva Yerbabuena, da war ich 12 Jahre alt. Javier Latorre war es auch, der ein ernstes Wort mit meiner Mutter sprach und von da an war es dann mehr als ein Hobby und ich begann ernsthaft zu trainieren. Ich ging dann aufs Konservatorium, wo ich außer Flamenco auch Unterricht in Danza Española und Clásico Español bekam. Wenn ich aus der Schule kam, tanzte ich jeden Tag bis elf Uhr nachts und dann ging ich nachhause um zu lernen. Oft schlief ich dabei über den Büchern ein und meine Mutter machte die Hausaufgaben, aber da war das Tanzen schon etwas Lebensnotwendiges für mich.
Hast du deine Entscheidung jemals bereut?
Nein, bereut nicht, aber ein Kampf war es schon. Mit mir selbst und auch mit der Welt, die mich umgab, aber das ist wahrscheinlich ganz normal, die Arbeit als Künstlerin ist sehr eng mit deiner Gefühlswelt verbunden und das ist nicht immer leicht.
Das Schicksal
Dein Mann, der Gitarrist Juan Campallo, ist ja auch Künstler, macht es das leichter oder eher schwieriger?
Früher hab ich ja immer gesagt, dass ich niemals mit einem Flamenco zusammen sein möchte, aber schließlich bin ich ja mit dem Menschen zusammen und nicht mit dem Künstler. Juan ist ein besonderer Mensch und wenn du dich für so ein Leben entscheidest, musst du die Kunst schon sehr lieben und verstehen, wenn eine von beiden gerade eine kreative Phase hat und stundenlang vor sich hin sinniert ohne zu sprechen und da ist es natürlich einfacher, wenn es dem anderen genauso geht. Juan und ich ergänzen uns perfekt, schließlich sind wir auch am gleichen Tag geboren, wir sind verwandte Seelen. Er war vorher verheiratet und ich war auch mit jemandem zusammen, aber wir haben uns einfach gefunden, das Schicksal hat uns zusammengeführt. Für mich war es als würde ich neu geboren werden und ihm ging es genauso. Es ist einfach wunderbar.
In deinem letzten Stück ging es vor allem um dein Leben, es war sehr persönlich …
Ja, da ging es auch um meinen Kampf zwischen der Person Mercedes Ruiz, denn so heiße ich eigentlich, und der Künstlerin Mercedes de Córdoba, es ist ja auch ein Leben in dem du auf vieles verzichten musst, du weißt oft nicht, was im nächsten Monat sein wird, diese Unsicherheiten, die Frage ob du Kinder haben willst oder nicht, deine Karriere, all diese Dinge habe ich in diesem Stück behandelt, darum heißt es auch „Ser – ni conmigo ni sin mí“.
Neue Wege
Im Moment gehst du ja ganz neue Wege und stellst eine Kompanie zusammen!
Ich habe in den letzten Jahren sehr viel für andere Tänzerinnen choreografiert, für Eva Yerbabuena , wir haben jetzt sozusagen die Rollen vertauscht, oder für Gema Moneo und Paula Comitre, die übrigens beide dafür einen Preis bekommen haben, und diese meiner Facetten möchte ich jetzt mit meiner eigenen Kompanie zeigen.
Es gibt aber noch einen anderen Grund: früher hatten wir bestimmte Richtlinien, denen wir folgten, du hast gelernt und geübt, dann tanztest du im Tablao und dann in einer Kompanie bevor du deine eigenen Stücke gemacht hast. Heute gibt es praktisch keine Kompanien mehr, weil es finanziell so schwierig geworden ist, und das fehlt der jungen Generation. Früher gab es viele Kompanien, Antonio Gades, Mario Maya, Antonio Ccanales, Eva Yerbabuena, María Pagés, das war einfach ein wichtiger Abschnitt für alle jungen Künstler, in dem man unglaublich viel lernen konnte, und das ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich das machen möchte.
Die Auditions
Du hattest da ja richtige Auditions, mit vielen Tänzerinnen
Ja, das war der Wahnsinn! Ich war mir am Anfang gar nicht sicher, weil ich dachte, wer kommt denn schon zu einer Audition und dann waren es aber 140! Also hab ich mir 140 Videos angesehen, die Cvs gelesen und davon 40 ausgesucht und dank der Universidad de Sevilla konnten wir dann vier Tage lang die Auditions machen, mit viel Feingefühl, viel Aufmerksamkeit und es war sehr schön. Das Niveau war unglaublich hoch und ich hätte es mir natürlich einfacher machen können und einfach Tänzerinnen anrufen können, die ich kenne, aber so war es ein sehr ehrlicher Auswahlprozess und von den vieren, die wir schließlich ausgewählt haben, kannte ich nur eine persönlich: Marta Gálvez, Cristina Soler, María Reyes und María Carrasco, die Nichte von Rafaela Carrasco blieben übrig.
In meinem Kopf ist natürlich alles schon da, die Idee, die Choreografien, und das weitere wird sich dann ergeben.
Wird es eher abstrakt oder wirst du eine Geschichte erzählen?
Es ist eher eine Idee, eine Botschaft, wenn du so willst, es ist in mehrere Teile unterteilt und Anfang nächsten Jahres sollte die Premiere stattfinden.
Der Moment
Dann werden diese jungen Tänzerinnen die Erfahrung einer Kompanie machen, das ist doch schön! Hättest du gerne in einer anderen Zeit gelebt?
Ach ich weiß nicht, ich lebe gerne im Heute, weil ich glücklich bin, von früher hätte ich gerne gewisse Momente miterlebt, diese Zusammenkünfte, Juergas oder Fiestas, aber ich hab ja gerade noch das letzte Stückchen davon miterlebt mit Enrique El Extremeño oder Pepe de Pura, den Sordera, die haben mich ja praktisch aufgezogen, ich war in der Compañía Andaluza de Danza, in der Kompanie von Eva Yerbabuena, von Joaquín Grilo, das war mehr eine Familie als meine eigene. Ich habe Pina Bausch kennen gelernt, sie war ja im Studio von Eva Yerbabuena in Dos Hermanas, wo ich jetzt auch wohne, ich hatte wirklich Glück.
Fotos: Curro Medina
Interview: Susanne Zellinger