Mayte Martín ist eine Ausnahmeerscheinung. Natürlich. Beeindruckend ist ihre Stimme, zweifellos eine der schönsten Frauenstimmen im aktuellen Musikgeschehen, die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Homosexualität lebt aber auch ihre Lebenseinstellung, ihre Auffassung vom Flamenco und ihr Appell an die Freiheit und Aufrichtigkeit in der Kunst.
Viele ihrer Projekte entstanden aus ihrem Kampf gegen die Einschränkung der Freiheit als Künstlerin. Und sie ist nicht die einzige. Ungewöhnlich ist eventuell, dass sie den umgekehrten Weg geht. Sie veröffentlichte einige CDs bei diversen Produktionsfirmen, darunter auch eine multinationale, alle mit Erfolg. Dennoch setzt sie bei eine ihrer Produktionen auf die Hilfe des Publikums. Die Idee des Mäzenatentums ist ja nicht neu, in der Geschichte gibt es dafür zahlreiche Beispiele, angefangen bei den Medici bis hin zu Henri Nannen.
Mäzene unterstützen Künstler bei der Umsetzung ihrer Projekte ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen und ohne inhaltlich Einfluss auf das jeweilige Produkt zu nehmen.
Das einzige was notwendig ist, ist die Wertschätzung der Arbeit des Künstlers. Im vorliegenden Fall übernahm das Publikum die Rolle der Mäzene. Das „Mecenazgo“ bestand darin, einen finanziellen Beitrag zu den Produktionskosten beizusteuern oder die neue CD vor der Fertigstellung zu erwerben.
Und es funktionierte. Auf der CD, aufgenommen während eines Konzerts in der Sala Luz de Gas in Barcelona, finden sich 14 Boleros und Liebeslieder.
Die Fragilität und die Romantik des Bolero kommen Mayte Martín manchmal mehr entgegen, als der Flamenco, und im Gegensatz zur Auffassung vieler war sie noch sehr jung, als sie begann, Boleros zu singen. Lange vor Tete Montoliu. Der sprach sie nämlich an, als sie in einer Bar Boleros sang und er schlug ihr vor, gemeinsam eine CD zu produzieren. Damals war sie 15 Jahre alt, aber die Boleros haben sie begleitet.
Was der Markt im Moment von ihr möchte, ist Flamenco, aber auch das gehört für Mayte zur künstlerischen Freiheit: nicht dem Druck der Musikindustrie nachzugeben, nicht in ein Räderwerk zu geraten, das den Künstler zum Produkt macht: Als kreativer Künstler stellt man dem Publikum seine Ideen zur Verfügung in dem Moment, in dem sie reif dafür sind und im Gegensatz dazu wird man zum Produkt, wenn man sein Talent der Produktionsfirma zur Verfügung stellt, die dann bestimmt, was gerade gefragt ist. Was wiederum die totale Aufgabe der künstlerischen Selbstbestimmung bedeutet und damit die Unterwerfung unter das Diktat der Musikindustrie.
Mayte Martín sagte dazu folgendes: „Es ist einfach für mich eine Möglichkeit Zwischenhändler auszuschalten, meine künstlerische Sensibilität zu schützen und sie vor wirtschaftlichen und ökonomischen Interessen zu bewahren, indem ich die Produktion und die Veröffentlichung meiner Werke in die Hände meines Publikums lege.
Ich muss diesen Schritt tun, damit ich nicht die Freude daran verliere zu schaffen und meine Arbeiten zu veröffentlichen. Es ist ein Sprung ohne Netz, und ich springe, weil ich weiß, was mich erwartet, ich vertraue blind auf die Liebesgeschichte zwischen mir und meinem Publikum.
Ich bewege mich nicht in den Parametern, die die Musikindustrie vorgibt und ich folge keiner Mode. Ich höre auf meine Intuition, sie sagt mir, was in jedem Moment zu tun ist; meine Freiheit ist nicht verhandelbar , die Kunst, die eigentlich heilig sein sollte ist zu einem Zirkus geworden, aber in dem trete ich nicht auf.“
Der Druck auf die Künstler von Seiten der Plattenfirmen wird immer größer, schuld daran ist die Zeit, in der wir leben: alles wird gemessen in Zahlen, aber natürlich nicht in irgendwelchen Zahlen, befinden sie sich im drei oder vierstelligen Bereich ist das so wie hinter dem Komma, es zählt praktisch nicht, erst ab dem fünfstelligen Bereich ist eine CD wert besprochen zu werden. Das bedeutet aber auch, dass die Produktionsfirma sehr viel mitzubestimmen hat. Diese Produktionsfirmen bestehen ja inzwischen nicht mehr aus ein paar Aficionados, die ihre ganze Leidenschaft in eine neue Arbeit legen, sondern sind aufgeblasene Apparate, wo die Hälfte der Mitarbeiter an ihren Rechnern sitzt und sieht, wie viel von dem Produkt sie verkaufen werden, mit wie viel Gewinn, welche Auftritte an welchen Terminen die Künstler zu absolvieren haben um die CD zu promoten usw.
In einem Interview mit flamenco-world bringt Mayte Martín die Dinge auf den Punkt:
„ Natürlich würde ich gerne noch berühmter sein und überall auftreten, aber es ist nicht das, was ich vorrangig anstrebe. Ich finde es fast unmoralisch, dass es Künstler gibt, die an nichts anderes denken. Dann darf man sich eigentlich nicht Künstler nennen. Die Kunst muss frei sein und dadurch Dinge ans Tageslicht bringen, die sonst in der täglichen Routine untergehen würden. Die Kunst ist die Sublimation der Gefühle. Neben der Liebe ist die Kunst das einzige, was dich befreit und dir zeigt, wer du wirklich bist, sie bringt Qualitäten von dir ans Licht, von denen du nicht einmal wusstest, dass sie existieren.“
Beim Festival de Jerez gibt sie dem Wunsch der Aficionados nach und präsentiert ihr neues Programm „Al flamenco por testigo“, klassischer, traditioneller Flamenco aber natürlich „Maytemartinisiert“, ihr ganz persönlicher Stil verändert die Melodieführung, macht sie zeitgemäß ohne die Essenz der Cantes zu gefährden.
Die Milonga, die Cantes de Levante, sie singt sogar eine Soleá, ein seltener Genuss.
Ihre Begleiter sind Pedro Sierra an der Gitarre, Chico Fargas an der Perkussion und als Neuzugang der Gitarrist Pau Figueres, einer der interessantesten, bei uns noch weitgehend unbekannten Gitarristen.
Bodega González Byass
25.2.2017 24:00
Ciclo Flamencos y Poetas
Fotos: Rafael Manjavacas auf www.deflamenco.com und Isabel Camps