La Guarida del Ángel in Jerez de la Frontera ist ein ganz besonderer Ort. In einem Palast aus dem XVI Jahrhundert am Rande des Barrio San Miguel hat Mario González einen Kunsttempel geschaffen, den man sich in jeder Stadt wünschen würde. In der ehemaligen Synagoge, dem Unterschlupf der Engel finden das ganze Jahr über Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Performances aller Genres statt, sie beherbergt aber auch die einzige feministische Peña, ein Tablao und natürlich die Theaterbühne, daneben eine kleine Bar, im Saal mit den kleinen, typischen Tischchen und Stühlen fühlt man sich geborgen, außer wenn sich der Februar zum Ende neigt, denn dann beginnt das OFF Flamenco Festival, das zwei Wochen lang den Saal zum kochen bringt. Da haben dann die Tischchen keinen Platz mehr, denn meistens ist es hier brechend voll. Vier Vorstellungen gibt es täglich, begonnen wird um 17 Uhr und dann wechselt das Programm stündlich, Eintrittskarten gibt es hier. Manche Vorstellungen sind schnell ausverkauft, also lohnt es sich die Karten im Vorverkauf zu erwerben.
Ich traf Mario vor einigen Tagen um mich mit ihm zu unterhalten. Er ist ein vielbeschäftigter Mann, denn seit 2019 ist er auch künstlerischer Leiter der Bienal de Flamenco Cádiz, Jerez y Los Puertos, die in diesem Jahr zum vierten mal stattfindet.
Wer ist denn nun dieser Mario de la Guarida?
Ich heiße Mario González González und bin in Jerez, in der Calle Merced geboren. Aber schon bald zogen meine Eltern mit mir aufs Land, nach Guadalcacín und dort bin ich auch aufgewachsen.
Ich habe die Matura gemacht und dann Turismus studiert, aber meine Leidenschaft war die Kunst. Ich liebe die bildende Kunst aber vor allem die Musik. Aber wie das Leben so spielt musste ich damit noch etwas warten. Nachdem meine Freundin schwanger wurde musste ich schon sehr früh beginnen zu arbeiten, es war die Zeit der Expo 92 also waren die Chancen gut in der Gastronomie Geld zu verdienen und ich eröffnete eine Bar. Im Endeffekt hatte ich dann sieben Lokale und das Geschäft lief gut.
Aber im Hinterkopf hatte ich immer die Idee eines Theatercafés, ich brauchte mehr Kontakt zur Kultur. Also eröffnete ich im Jahr 2000 die Guarida del Ángel.
Wie bekommt man denn so ein wunderbares Haus?
Es war einfach Bestimmung. Ich glaube ja, dass Orte eine Persönlichkeit haben, eine Seele und eine eigene Energie. Und dieses Haus hat eine besonders gute Energie. Es hat mich magnetisch angezogen. Immer wenn ich daran vorbei ging, hatte ich das Gefühl als ob dieser Ort auf mich warten würde, dass er für mich bestimmt war.
Ich suchte also den Besitzer und sprach mit ihm, nicht nur einmal, sondern viele male. Und er sagte, dass er keine Gastronomie in seinem Haus haben wollte, weil er damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Als ich eines Tages wieder an seine Türe klopfte, öffnete mir ein junger Mann, und ich kannte ihn. Es war der Sohn des Besitzers und er wohnte da. Er sprach mit seinem Vater und am Ende konnte er ihn überzeugen mir das Haus zu vermieten.
Musstest du viel renovieren?
Ja klar, ich habe mindestens ein Jahr damit verbracht, alles zu reparieren, die Möbel, die Bar, ich malte aus, und das jeden Tag von acht Uhr morgens bis in die Nacht, bis ich nicht mehr konnte. Und am Viernes de Dolores, also am Beginn der Semana Santa im Jahr 2000 eröffnete ich die Guarida del Ángel.
Wie ging es dann weiter?
Für mich war es wichtig, hier einen Ort zu schaffen, der für alle Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher ethnischen Zugehörigkeit und welchen Alters offen war. Für junge Künstler, die ihre Arbeit präsentieren wollten, für Gespräche, für Konzerte aller Genres, von Rock über Pop, Jazz und natürlich Flamenco. Vor kurzem hatten wir hier eine Buchpräsentation der feministischen Vereinigung aus Jerez zum Beispiel.
Hier ist ja auch der Sitz der Peña Flamenca feminista LGTBI La Lola …
Das Kollektiv hat hier einen Platz, wo sie ihre Werke präsentieren können. Hier sollen sie sich wohlfühlen, denn in den anderen Peñas gibt es zum Beispiel für Transsexuelle und Travestis keinen Platz. Aber ich denke, dass es für den Flamenco wichtig ist auch sie einzubinden. Am Sonntag haben wir für sie eine eigene Veranstaltung erfunden, Las Domingueras und sie findet viel Zuspruch.
Woher kommt deine Begeisterung für den Flamenco? Denn du bist ein Aficionado, oder?
Oh ja, aber nicht von Anfang an. Natürlich legte mein Vater im Auto immer seine Flamencokassetten ein und auch zuhause hörten wir Flamenco. Aber die Künstlerin ist meine Mutter, sie las viel, schrieb auch Bücher, Jugendliteratur, übrigens meine zweite Leidenschaft, die ich mit ihr teile.
Der Flamenco kam zu mir durch eine meiner Lebenspartnerinnen mit der ich 20 Jahre zusammen gelebt habe. Sie ist Cantaora und nahm mich mit zu ihren Konzerten und in die Peñas. Es hat eine Zeit gedauert, aber heute ist der Flamenco mein Leben.
Dann bist du hier in Jerez ja genau richtig …
Das stimmt. Und du hast mir letztes mal einen Satz gesagt, der es ziemlich auf den Punkt bringt: In Jerez lebt man den Flamenco. Jeden Tag. Der Flamenco ist ja auch eine Lebensform. Deshalb kommen ja so viele Menschen hierher, weil der Flamenco hier gelebt wird, lebendig ist.
Sprechen wir doch ein wenig über das OFF Festival, das du hier vor 14 Jahren gegründet hast. Wodurch unterscheidet es sich vom Festival de Jerez?
Erstens gab es damals noch nicht ein so breites Angebot, es hat sich viel verändert. Ich wusste damals nicht einmal, dass es ein Flamencofestival in Jerez gab. Das fand hinter verschlossenen Türen statt, es öffnete sich nicht für alle, und diese Öffnung ist uns gelungen. Wir sind ja ganz nahe am Teatro Villamarta, aber wir machen ein Festival für das Volk, für die Bewohner dieser Stadt. Hier finden die Academias ihren Platz, noch nicht so bekannte Künstler, junge Flamencos und KünstlerInnen aus der ganzen Welt. Hier treten die Stars auf, wie Luis el Zambo, El Capullo, Manuela Carpio, Juana la del Pipa, Diego del Morao, Israel Fernández und viele mehr. Aber auch KünstlerInnen aus Japan, aus der Schweiz, aus Chile, Mexico und und und …
Wichtig sind natürlich auch die berühmten After Partys, da habe ich einige noch lebhaft in Erinnerung …
Ja, auf jeden Fall. Nach der letzten Vorstellung wird hier weiter gefeiert, man kommt in Kontakt mit den Künstlern, trinkt eine Copita und meistens geht es bis in die frühen Morgenstunden. Da ergeben sich natürlich ganz besondere Momente, die man niemals vergisst. Das ist ein Teil des Erfolgs dieses Festivals.
Du bemühst dich besonders auch darum, dass sich die Künstler wohlfühlen, legst spezielles Augenmerk auf eine gute Technik
Das ist mir sehr wichtig, wir wechseln jedes Jahr den Boden aus, dieses Jahr haben wir eine neuen Tontechnik installiert, wir geben unser Bestes, denn die Flamencos tun das auch. Viele von ihnen treten hier immer wieder auf, weil sie sich hier geschätzt fühlen. Darum bemühe ich mich höchstpersönlich.
In diesen zwei Wochen bist du ja rund um die Uhr hier. Wann schläfst du eigentlich?
Gar nicht, das hole ich später nach. Ich genieße das Festival sehr und ich liebe dieses Haus. Schlafen kann ich später.
Bevor wir zum Ende kommen, noch eine Bemerkung: dieses Jahr eröffnest du ja mit dem Film einer Österreicherin, das freut mich natürlich besonders.
Stimmt! Am 20. Februar um 21:00 zeigen wir den Dokumentarfilm Paraíso de Cristal von Susanne Zellinger, die du ja vielleicht kennst …. . Bei freiem Eintritt, damit alle kommen können, er soll sehr gut sein, also versäumen Sie ihn nicht!
Vielen Dank, Mario, es war mir ein Vergnügen!
Mir auch!
https://laguaridadelangel.com/
Text: Susanne Zellinger
Fotos: Künstlerarchiv, Ana Palma