Jerez de la Frontera: Auf den Spuren des Flamenco

In Jerez de la Frontera gibt es nicht nur großartige Weine und Brandys und majestätische Pferde. In seinen Straßen unterwegs zu sein ist gleichzeitig eine Reise durch seine Jahrhunderte alte Geschichte – Txusa Karra (Text) und Manuel Moraga (Fotos) begeben sich für uns auf die Reise durch Jerez de la Frontera.

Jerez ist eine der Geburtsstätten des Flamenco. Er wäre, so wie er heute ist, undenkbar ohne Jerez: Sein „Soniquete“, die besondere Interpretation des Cante, die großen Schöpfer und Interpreten haben aus der Stadt eine Pilgerstätte für die Liebhaber dieser Kunstform gemacht.

In den Straßen von Jerez atmet man den Flamenco mit allen Sinnen, besonders natürlich bei einem Spaziergang durch die Viertel San Miguel und Santiago, wo viele Gitanofamilien seit Jahrhunderten sesshaft sind. Ist der Flamenco undenkbar ohne Jerez so ist er es auch ohne die weitverzweigten Clans der Familien, die in diesen Vierteln leben: Die Familien der Parrilla, Moneo, Carrasco, Fernández, Méndez, Carpio, Sordera, Agujetas, Terremoto, Zambo, La Paquera, Manuel Torre, Antonio Chacón …. und so könnte man alleine mit diesen Namen die Geschichte des Flamenco bis zum heutigen Tag erzählen.

Epizentrum des Flamenco

Es ist die Zeit des Festival de Jerez, wie immer Ende Februar bis Mitte März und die Straßen sind voll von Kursteilnehmern und Aficionados aus der ganzen Welt: Japanerinnen, Amerikaner, Deutsche, Franzosen, Italienerinnen, sie alle sind gekommen um direkt aus der Quelle zu trinken, sollte es wirklich sein, dass der Flamenco außerhalb unserer Grenzen mehr Anerkennung findet als im eigenen Land?

Abgesehen von diesem wohl wichtigsten Festival seiner Art hat Jerez aber noch viel mehr zu bieten, wie die Fiesta de la Bulería, immer Anfang September oder die Zambomba, die in der Vorweihnachtszeit auf den Straßen der Stadt in den Vierteln und Innenhöfen mit Hingabe gefeiert wird.

In den Peñas finden das ganze Jahr über Flamencoveranstaltungen statt, einige der bekanntesten sind Los Cernícalos, La Bulería, Antonio Chacón, Tío José de Paula, Terremoto oder Sordera. Es gibt aber auch noch andere Veranstaltungsorte wie La Guarida del Ángel, La Taberna Flamenca im Viertel Santiago oder das Tablao Puro Arte Jerez von Raúl Ortega und Sara Salado.

Essen und Trinken

Zu den schönsten Vergnügen gehört das Frühstück in den Gastgärten und auf den Terrassen der Bars und Cafés. Um ins Ambiente einzutauchen eignet sich am besten der Platz vor dem Markt, dem Mercado Municipal. Schon aus der Ferne duftet es nach frischen Churros mit Schokolade, die man am Churrostand kaufen und in den umliegenden Bars dann verspeisen kann. Mag man nichts Süßes bestellt man sich eine Tostada mit Olivenöl oder dem hervorragenden spanischen Schinken. Nach dem Frühstück dreht man am besten noch eine Runde durch den Markt, besonders durch den Fischmarkt, wo es von Gambas, Muscheln, Tintenfischen über riesige Tunfische alles zu kaufen gibt, vor der Markthalle bieten Gitanas frischen Spargel und kleine Caracoles , die winzigen Schnecken an, aber auch Knoblauch und alles erdenkliche Grünzeug.

Aber es geht noch weiter auf der Genussstraße. Jerez ist auch berühmt für seine Sherry Bodegas, viele von ihnen das ganze Jahr über für Besucher geöffnet, wo man Fino, Oloroso, Palo Cortado, also alle Sherryarten probieren und kaufen kann. Die meisten dieser Bodegas produzieren auch exzellente Brandys, die durchaus mit den französischen Cognacs mithalten können, nur sind sie meistens nicht ganz so teuer. Abgesehen von der wohl bekanntesten Bodega González Byass mit ihrem berühmten Tio Pepe stehen auch die Bodegas Hidalgo, Lustau, Domeq, Garvey, Sandemann, Real Tesoro und Vadespino für einen Besuch zur Verfügung, in einigen von ihnen gibt es auch Führungen in englischer Sprache.

In der letzten Zeit sind die Tabancos wieder auferstanden, eigentlich eine Mischung aus Bar und Weinlager, einige von ihnen uralt und bezaubernd. Manche von ihnen organisieren auch Konzerte mit Livemusik oder Lesungen wie La Cruz Vieja in San Miguel oder San Pablo. Natürlich werden auch wie fast überall köstliche Tapas serviert. Apropos Tapas: Hier gibt es unzählige gute Tapasbars, wie El Gallo Azul, La Cruz Blanca, El Almacén, el Reino de León, Bar Juanito, La Marea in San Miguel oder Bars mit Flamencoambiente wie El Arriate oder La Gitanería im Barrio Santiago.

In der Nähe vom Teatro Villamarta in der Calle Veracruz y Mesones bietet die Bar El Pasaje jeden Abend Livemusik während des Festivals, aber auch in der Calle Francos oder Porvera gibt es unzählige Lokale mit gutem Essen. Nicht zu vergessen natürlich die kleinen Plätze in den Seitenstraßen wo man schon zum Frühstück die ersten Sonnenstrahlen genießen kann oder am frühen Abend die letzten.

Kunst und Geschichte

Abseits der Völlerei hat Jerez aber auch anderes zu bieten. Auf eine der ersten Ansiedlungen des sagenumwobenen Tartessos folgten die Phönizier, die Römer, die Mauren, die Juden und die Christen. Im Jahr 1264 wird die Stadt dem Königreich Kastillien eingemeindet und wird so zur Grenzstadt zum letzten arabischen Königreich der Nasriden, daher auch sein Name Jerez de la Frontera. Die wechselhafte Geschichte spiegelt sich auch in den Bauwerken wieder, die gotisch, barock, neoklassizistisch oder modernistisch sind und im Zentrum der Stadt steht man alle paar Minuten vor barocken Palästen und Kirchen.

Einen Besuch wert ist das Convento de Santiago, eine ehemalige Festung, die von König Alfonso X den Dominikanern überlassen wurde, mit seinem herrlichen gotischen Kreuzgang und Resten eines arabischen Portals.



Ein anderer religiöser Prachtbau ist die Kathedrale, pompös sitzt sie auf der Mezquita Mayor und blickt auf die Gläubigen herab. Eine Mischung aus gotischen, barocken und neoklassizistischen Stilelementen birgt sie wahre Schätze in sich, wie die „Virgen Niña“ von Zurbarán, den „Cristo de la Viga“ und eine silberne Monstranz aus feinste Schmiedearbeit. Der Glockensturm steht frei und wurde auf dem alten Minarett der Mezquita errichtet.

In den beiden Gitano Vierteln der Stadt stehen 2 großartige gotische Kirchen, das gotische Portal der Kirche von Santiago ist überwältigend und im Inneren findet sich eine der schönsten Darstellungen der Festnahme des Herrn, des „Señor del Prendimiento“, der jedes Jahr in der Karwoche, der Semana Santa durch die Straßen getragen wird. Die Prozessionen sind absolut sehenswert, sind sie doch nicht so von Besucherströmen überlaufen wie jene von Sevilla. Die Kirche von San Miguel birgt eines der Meisterwerke von Martínez Montáñez und José de Arce und die Kirche von San Dionisio beeindruckt mit wunderschönen Fensterbildern.

Auf der Plaza de los Escribanos befindet sich das ehemalige Rathaus im Renaissancestil, das von der einstigen wirtschaftlichen Macht von Jerez erzählt. Es ist eines der eindrucksvollen bürgerlichen Bauwerke der Renaissance in Andalusien und beherbergt in seinem Inneren eine Bibliothek mit 40.000 Büchern und das archäologische Museum mit dem berühmten „Casco de Guadalete, einem griechischen Helm aus dem 7. Jahrhundert a.c.

Ein kleines Stückchen bergauf von der Kathedrale aus, vorbei an der bekannten Bodega „Tio Pepe“ erhebt sich majestätisch der Alcazar, die älteste Festung der iberischen Halbinsel. Auf dem höchsten Punkt der Stadt gelegen war sie ein strategisch wichtiger Verteidigungspunkt. Innen liegt neben der Cámara oscura auch der Palacio de Villavicencio, in dem neben Ausstellungen auch die akustischen Konzerte beim Festival de Jerez stattfinden. Auch die einzige erhaltene Mezquita und die arabischen Bäder sind zu besichtigen.

Das Tor zur Neustadt öffnet das eigenwillige Gebäude des Gallo Azul, der von der Familie Domecq anlässlich der iberoamerikanischen Ausstellung 1929 in Auftrag gegeben wurde. Heute befindet sich darin ein nettes Restaurant und eine Tapas Bar. Unseren Rundgang durch die verschiedensten Baustile beenden wir mit dem modernistischen Teatro Villamarta, das vom König Alfonso XIII in Auftrag gegeben wurde. Neben den zahlreichen Konzerten und Aufführungen das Jahr über ist es der zentrale Punkt des Flamencofestivals im Februar.

Viele der eindrucksvollen Paläste, die über die Stadt verstreut sind, kann man übrigens auch besichtigen. Treten Sie ein und lassen Sie sich von den herrschaftlichen Innenhöfen bezaubern.

Jerez zu Pferd

Im Mai findet jedes Jahr die „Feria del Caballo“ statt und die sollte man sich nicht entgehen lassen. Sie geht auf das Mittelalter zurück, als Pferdehändler aus der Umgebung sich hier trafen um ihre Geschäfte abzuschließen. Es gibt kaum ein farbenprächtigeres Spektakel als dieser Jahrmarkt. Aus Hunderten von Zelten klingt Musik, es wird getanzt und Fino getrunken, alleine das Vorbeiziehen der Kutschen mit ihren geschmückten Pferden und die Damen im Flamencokleid sind eine Augenweide. Im Gegensatz zur Feria de Sevilla sind hier auch alle Zelte öffentlich zugänglich. Die Jerezaner sind ein großzügiger Menschenschlag.

Wenn man Pferde mag sollte man auch die königliche Reitschule, die „Real Escuela Andaluza del Arte Ecuestre“ besuchen, ein Pendant zur Hofreitschule in Wien, aber natürlich viel spanischer. Sie wurde 1973 von Álvaro Domecq gegründet und befindet sich in einem schönen Park.

Motorradsport

Wenn Ihnen auf der Autobahn Hunderte Motorräder auffallen, die vorbeibrausen, dann ist es wieder so weit: Im Mai findet das international beachtete Motorradrennen, der „Circuito de Jerez“ statt, laut, trubelig und absolut spannend. Das ganze Jahr über dient der 4km lange Parcours als Trainingsstrecke für Formel 1 und Motorradrennen, aber wirklich aufregend ist der große Preis von Spanien.

Genauere Informationen finden Sie unter

www.circuitodejerez.com

www.realescuela.org/es

www.festivaldejerez.es