Israel Galván war und ist eine der interessantesten Figuren im zeitgenössischen Flamencotanz. Er feiert weltweit Triumphe und selbst seine Kritiker verstummen ob seiner Virtuosität und seiner Klasse. Er ist neugierig und manchmal überrascht er sich selbst. Im Radiokulturhaus wird er an drei Abenden eine neue Klangwelt schaffen, als Tänzer, als Perkussionist und vor allem als Musiker. Er macht Musik mit seinen Füßen und den Objekten, die er auf der Bühne findet. Er hat im Rahmen des ImPulsTanz Festivals Wien als den Ort für seine Weltpremiere vom „Radio Concert“ ausgesucht, ein besonderer Moment, der mit Spannung erwartet wird.
Was hast Du dem Flamenco gegeben und was hat er Dir gegeben?
Ich weiß nicht, was ich dem Flamenco gegeben habe, aber jedes mal wenn ich eine Kurs gebe, sagen mir die Leute, dass ich ihnen mehr Freiheit gegeben habe, dass ich ihnen einen neuen Weg gezeigt habe, und auch die Zuschauer haben mir gesagt, dass sie sich durch mich dem Flamenco mehr angenähert haben. Wir Flamencos haben ja jeder für sich eine eigene Persönlichkeit und das macht den Flamenco auch so groß, der Flamenco ist nicht nur eine Person, der Flamenco sind wir alle. Mir hat der Flamenco eine Familie gegeben und eine eigene Sprache, ich habe ja Probleme beim Sprechen und durch den Flamenco spreche ich mit den Leuten.
Was hält der Flamenco für Dich denn noch an Überraschungen bereit?
Ich bin ja immer noch auf der Suche, das ist das Schöne daran und wenn ich etwas im Moment nicht sehe, mache ich mich auf die Suche und versuche es zu sehen. Ich überrasche mich selbst, ich lerne von den Menschen, die ich treffe an den verschiedenen Orten, ich versuche die Augen offen zu halten.
Du tanzt sehr gerne allein, macht dich das nicht verwundbarer?
Der Flamenco ist ja etwas sehr Individuelles, der Gitarrist spielt allein, der Sänger auch, er singt nicht im Duett, der Flamenco ist ein Einzeltanz. Ich habe mit anderen Tänzern gearbeitet, aber das ist nicht, was ich suche, ich tanze lieber mit Objekten, auf verschiedenen Böden oder Materialien und wenn ich mit anderen tanze muss es auf einer Wahrheit beruhen, einen Grund haben.Außerdem habe ich ja auch meine Musiker und schon dadurch bin ich nicht allein.
Ich habe gerade ein Buch über Pina Bausch gelesen mit dem Titel „Tanz gegen die Angst“, könnte das auch ein passender Titel für ein Buch über dich sein?
Oh natürlich, der Tanz nimmt mir die Angst und durch den Tanz musste ich auch nicht zum Arzt oder zum Psychologen, er ist eine gute Therapie und nicht nur dazu da um Geld zu verdienen oder um zum Virtuosen zu werden, die Bewegung ist ja auch das erste was wir tun, und das ist wunderbar.
Welches deiner vielen Stücke war das wichtigste in deiner Karriere und hat deinem Leben eine andere Richtung gegeben?
Ich glaube, das war mein erstes Stück, 1998, „Los Zapatos Rojos“, da war ich noch ziemlich jung und ich tanzte gut, gewann viele Preise und die Kritiker waren begeistert und genau in diesem Moment wusste ich, dass ich etwas anderes wollte: Ich wollte mehr darüber nachdenken, was ich erzählen wollte, den Tanz mehr als Kunstform sehen, ich wollte Kunst machen, etwas Neues beginnen. Leicht war es nicht, wenn die Leute dann sagten, das wäre nicht Flamenco, denn ich bin Flamencotänzer, aber dieses Stück hat mir neue Türen geöffnet.
Denkst du, dass die Leute heute deine Kunst besser verstehen als früher?
Ach ich glaube, sie haben sich einfach an das gewöhnt, was ich mache, sie wissen, was sie erwartet, ich tanze ja schon so lange und manchmal mögen sie es mehr und manchmal weniger. Es ist nicht mehr so stressig wie früher.
Was da auch eine gewisse Lust an der Provokation dabei?
Ich musste einerseits als Tänzer überleben aber auch das machen können, was ich will. Sehr oft weiß ich erst nach der Premiere, was daraus geworden ist, aber mehr als eine Provokation ist es eine Notwendigkeit.
In einem Artikel sagt Silvia Cruz Lapeña: „Siempre hueles al lugar de dónde vienes – Du riechst immer nach dem Ort von dem du kommst“
Ich komme aus der Tradition, das ist klar, aber in den entscheidenden Momenten, in der Kunst wie im Leben, musst du an deine eigene Tür klopfen, da hilft dir weder dein Vater, noch deine Mutter oder ein Lehrer, das ist etwas, das nur mit dir selbst zu tun hat.
Hast du so etwas wie eine „Schule“ geschaffen?
Eine Schule zu haben oder zu schaffen ist für mich wie ein kleiner Tod, das ist so als ob ich aufhören würde unterwegs zu sein. Ich reise mit meinem Tanz, ich breche mit Dingen, wenn ich sie nicht mehr fühle, ich ändere meine Art zu tanzen auch wenn sie gut ankommt und den Leuten gefällt. Das macht mir keine Angst, ich empfinde das als einen Luxus. Außerdem ändern sich Dinge auch wenn man älter wird, du tanzt anders als wenn du jung bist und das hat nichts mit besser oder schlechter zu tun, du tanzt einfach anders.
Hast du manchmal das Gefühl als würdest du gerade erst beginnen?
Oh ja. Heute habe ich zum Beispiel einen Kurs gegeben und jedes mal wenn ich tanze, ob es jetzt mit ein paar Schülern ist oder ein kleiner Auftritt, ist der Moment für mich einzigartig und er ist nicht weniger wichtig als ein Auftritt in einem großen Theater.
Der Moment in dem ich diese Menschen vor mir habe wird zum letzten, da schrillt so etwas wie eine Alarmglocke in mir, die mir sagt, dass es der letzte Moment ist. Und dadurch beginne ich jedesmal von neuem, auch wenn die Aufführung ein Erfolg war, die Kritiker zufrieden und alle glücklich sind, fange ich am nächsten Tag wieder bei Null an.
Was machst du denn nun im Radiokulturhaus , ein „Solo“ wie vor einigen Jahren in Berlin?
Es wird anders sein, denn die Idee dahinter ist die Audio Aufnahme. Ich tanze natürlich und die Zuschauer sehen mich, aber ich denke nicht nur an meine Bewegungen sondern im musikalischen Sinn, an das Klangliche, als ob ich ein Musiker wäre. Ich mache nicht nur Musik sondern ich bin sozusagen meine Musik.
Es wird an drei Abenden aufgezeichnet, gibt es überhaupt ein Drehbuch?
Ja natürlich, aber es wird nicht an allen drei Tagen gleich sein, weder klanglich noch körperlich, spannend wird es auf jeden Fall.
Soll dann eine CD daraus werden?
Das wird sich dann zeigen, im Moment wird es eine Audio Aufnahme und natürlich auch ein Video, aber das interessante ist die Tonaufnahme.
Na dann viel Glück und bis dieser Tage
Vielen Dank.
Israel Galván: „Radio Concert“
ORF RadioKulturhaus
5.8.,19:00, 6.8.,21:00, 7.8., 19:30
Text: Susanne Zellinger
Fotos: Nicolas Serve