Der Flamenco hat wieder zurückgefunden zum Impuls Tanz Festival. Vorsichtig zwar, denn mit Israel Galván kann man nichts falsch machen und mit einem Body Percussion Workshop auch nicht, aber dennoch. Er ist wieder da. Es geht um Rhythmus und um das Ticken der Uhr. Für Israel Galván tickt die Uhr schon lange.
Sein erstes Stück, das Aufsehen erregte, war „Los Zapatos rojos“, das 1998 Premiere feierte und das nur 10 mal auf der Bühne zu sehen war oder „Galvánicas“, für das sich ganze 4 Veranstalter fanden. Der große Bühnenerfolg war ihm erst mit „La edad de oro“ vergönnt, das auf der ganzen Welt über 200 mal aufgeführt wurde und wird.
FLA.CO.MEN
In FLA.CO.MEN fand er nun endlich die Freiheit, zu tun, was ihm Spaß macht. Der Titel wurde wieder einmal aus der Denkerstirn von Pedro.G.Romero geboren und er könnte treffender nicht sein. Alles wird auf den Kopf gestellt, schießt übers Ziel hinaus, stellt Fragen und gibt keine Antworten. Lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu, taucht tief in die Flamencogeschichte und in seine persönliche ein und macht manchmal einfach nur Spaß. Warum er eine Kochschürze anhat? Weil er am Beginn versucht, nach dem Flamencorezept zu kochen mit all den Ingredienzien, die die 10 Gebote von Vicente Escudero verlangen. Warum er das Rezeptbuch dann wegwirft? Weil Kochen mit Phantasie angesagt ist, das werden oft die besten Gerichte. Die, bei denen man nach dem Essen fragt, was denn da alles drin war. Muss es allen schmecken? Nein.
Darf einem das Stück von Israel auch nicht gefallen? Natürlich. Als treue Aficionada fällt es manchmal schwer zuzugeben, dass man etwas nicht so toll findet, auch wenn es mit Lorbeeren überhäuft wurde. Genauso wie der Künstler sich die Freiheit nimmt, zu tun was er will, hat der Zuschauer das Recht, seine Zweifel anzumelden oder seinen Unmut zu äußern.
Verunsichern tun die Stücke der Avantgarde ja immer und dazu sind sie auch da. Sie rütteln an den festgefügten Mauern dessen, was wir zu kennen glauben und machen mir zum Beispiel wieder einmal bewusst, was ich alles nicht weiß. Aber die Lücken können ja auch nur nach und nach gefüllt werden. So weiß ich jetzt auch, was dieser reizende Männer Paartanz am Ende war, nämlich ein Fandango del parao, den die Männer aus Andévalo tanzen und so hab ich wieder was gelernt. Die musikalische Bandbreite von FLA.CO.MEN ist wie immer beeindruckend, da gab es von Gospel über Regetón und quer durch die Flamencostile, von Martinete über Alegría zur Soleá so viel zu entdecken, dass man sich das Stück eigentlich mindestens 10 mal anschauen müsste, aber das geht leider nicht.
Marco und Gertrude
Marco de Ana beschäftigte sich in letzter Zeit viel mit Gertrude Stein und wählte eins ihrer Bücher „The world is round“ als Aufhänger für seinen Body Percussion Workshop. Gertrude Steins Prosa ist ja durch und durch rhythmisch und wie für den Flamenco geschaffen. Man stelle sich ihre Zeilen im Tangos vor, beginnend mit
„A-A, once upon a time, A-A, upon a time, the world was round, and you could go on it around and around“, funktioniert hervorragend und geht nicht mehr aus dem Kopf. Marco arbeitete mit einer Gruppe, die aus allen möglichen Tanzwelten kam und da fiel mir wieder ein Satz von Farruquito ein, „El cuerpo no olvida“ und alle Tanzsprachen, die man einmal erlernt hat, sind im Körper noch da, das war so deutlich zu sehen, dass es in ein Ratespiel ausarten hätte können, hat es aber dann doch nicht. Zu spannend und lustig war das Zusehen bei Marcos Experiment. Für Uneingeweihte schwierige Dinge wie die Contras wurden hier so spielerisch eingeflochten, dass die Teilnehmer gar nicht merkten, was ihnen da zugemutet wurde. Es war sehr schön und alle hat es gefreut.
Foto: Julia Petschinka