Seit 1995 gibt es dieses Festival nun schon und ich bin seit mehr als 15 Jahren dabei. Mit Vorträgen, Einführungen und den Künstlergesprächen, die vom Publikum gerne angenommen werden, vor allem bei den zeitgenössischen Stücken, die ja nicht so leicht zu verstehen sind wie die traditionellen.
Nach der Pandemie machte sich in diesem Jahr zum ersten mal wieder richtige Festivalstimmung breit, die Kurse waren voll, die Vorstellungen gut besucht. Nach der Pensionierung von Dorothee Schackow hat Juan Carlos Lérida die künstlerische Leitung übernommen. Ihm ist es wichtig, dem zeitgenössischen Flamenco seinen Platz zu geben, aber auch er kam zumindest an einem Abend nicht darum herum, dem traditionellen Flamenco seinen Platz zu geben und mit Alfonso Losas Flamenco: Espacio Creativo hat er ins Schwarze getroffen und die Vorstellung war in Null komma Nichts ausverkauft.
Unter der Regie von Estévez/Paños, die das ungestüme Temperament von Alfonso Losa etwas im Zaum hielten gelang ein durchkomponiertes Stück, das nur wenige Wünsche offen liess: Die Stimmen von Sandra Carrasco und Ismael de la Rosa ließen die Zuschauer*innen aufhorchen, denn wann hört man schon zwei Flamencos im Duett noch dazu so feinfühlig und stimmig, ein wahrer Genuss. Die Kompositionen von Gitarrist Francisco Vinuesa, der praktisch ohne Unterbrechung spielte, waren der Rahmen für dieses kleine Meisterwerk. Über Concha Jareño gibt es viel oder nichts zu sagen, sie ist eine der Tänzerinnen, die alles hat: Eleganz, Präzision, Sensibilität und Charisma.
Sie spielt die Kastagnetten meisterhaft, die Bata de Cola umschmeichelt sie als wäre sie verliebt und sie macht den Fandango im Duett mit Alfonso Losa unvergesslich. Und Alfonso Losa hat diesen Triumph mehr als verdient. Er musste lang genug darauf warten, obwohl er für eine ganze Generation von Tänzern ein Vorbild ist. Nicht nur als Tänzer, auch als Mensch.
Am zweiten Abend faszinierte Carmen Muñoz mit ihren hysterischen Tänzerinnen auch die, die vom modernen Flamenco keine Ahnung haben. Es war auch nicht nötig, denn nicht immer geht es ums Verstehen, sondern manchmal einfach nur um den Rhythmus, eine gelungene Komposition und Klarheit. Mit Jorge Mesa, El Pirata, der schon bei Doce von Juan Carlos Lérida brillierte, studierte sie die Körper von vier Tänzerinnen: Fanny Elssler, Carmen Mora, Angelita Vargas und La Chana. Auf dem Weg durch die Bewegungen der vier fand sie zu den ihren und zu sich selbst.
Der Bezug zur Hysterie klärte sich dann im Publikumsgespräch, bei dem das Foyer bis zum letzten Platz besetzt war.
Die beiden letzten Abende führten dann mit Marco Vargas und Chloé Brûlé mit Los Cuerpos Celestes in den unendlichen Raum des Kosmos. Berauschend die Choreografien und ebenso die großartige Musik von Miguel Marin – was für eine Entdeckung-, die den beiden Protagonisten, aber auch der wunderbaren Yinka Esi Graves und Gero Domínguez aus Málaga erlaubten, sich das Universum zu erobern. Da passte einfach alles und das Publikum war begeistert.
Marco und Chloé präsentierten am letzten Abend dann mit zwölf Tänzerinnen das Ergebnis ihres dreitägigen Workshops, eine stimmige Choreographie mit schönen Momenten, überraschenden Wendungen und wieder mit einem senstionellen Soundscape.
Nicht ganz überzeugen konnte in diesem Jahr das Improvisationsprojekt Im Flame mit Juan Carlos Lérida. Da gab es viele Leerläufe und Stillstände, wenig gemeinsame Energien und irgendwie wirkte alles sehr gehemmt. Aber gut, eine der Charakteristika der Impro ist ja, dass nicht immer alles so läuft, wie man gerne hätte.
Was hingegen gut funktionierte war der gemeinsame Raum im Foyer, mit Videoprojektionen, Büchern und vor allem Platz für gemeinsame Gespräche und Begegnungen. Etwas, das ja oft bei Festivals viel zu wenig Platz findet.
Ein erfolgreiches Osterfestival ging wieder zu Ende und wir hoffen, dass es auch im nächsten Jahr trotz der Bauarbeiten im tanzhaus nrw wieder seinen Platz finden wird. Egal wann.
Text: Susanne Zellinger
Fotos: Albrecht Korff