Der Titel des Stücks stammt von einem Plakat aus dem XVIII. Jahrhundert: Achtung! Tänze der Zigeuner! Aus einer Zeit also, in der noch mit Rufzeichen darauf hingewiesen wurde, dass Gitanos auf der Bühne zu sehen sein werden, deren Tänze sich von denen der Payos, der Nicht Zigeuner markant unterschieden. In einem Stück wie diesem ist das auch heute noch so, aber nur deshalb, weil hier genau das gezeigt werden will. Wenn Gema Moneo die Zambra tanzt, mit offenen Haaren, die ihr bis zur Taille gehen, dann fällt mir immer ein Wort ein, für das wir im deutschsprachigen Raum keine Entsprechung haben, die wir verwenden könnten: „El baile racial“ de Gema Moneo, in dem sie in ihrer ungezügelten Wildheit natürlich ein Klischee bedient, das wir vor Augen haben, was aber nicht heißen muss, dass es nicht stimmt oder gestimmt hat. Immerhin befinden wir uns in dem Moment auf dem Sacromonte in Granada, Zambra gefolgt von den Tangos de Granada lassen keinen Zweifel zu.
Bei Antonio Molina „El Choro“ ist das nicht immer so eindeutig zu erkennen, vor allem, wenn er, was ja schon vorgekommen sein soll, die Bühne mit ohne Bart betritt. Er ist ein sehr eleganter Tänzer mit präzisen und schnellen Zapateados aber gleichzeitig mit wunderschönen Armen, und auch Bailaor, wenn er die Schuhe auszieht. In seinem Duett mit Pepe de Pura bleibt kein Auge trocken, wenn er seinen Kopf an die Schulter des Maestros lehnt als Zeichen des Respekts und des Vertrauens.
Über Pepe de Pura viele Worte zu verlieren ist mir leider nicht möglich, manchmal ist es nicht einfach, als Kritikerin die nötige Distanz zu wahren. Nur ein Rat, den Sie befolgen sollten: wenn Sie ihn noch nicht gehört haben, dann sehen Sie zu, dass sich das ändert. Er ist ein großer Cantaor mit unendlichen Ressourcen und einer Stimme mit einer Mischung aus Samt und Rauheit, die aus den Tiefen der Geschichte der Gitanos zu kommen scheint. Er trägt die Tänzer mit seiner Stimme durch die Cantes und ist doch nie der Unterlegene. Ein wahrer Meister.
Manchmal ist uns als Zuschauer gar nicht bewusst, wen wir vor uns haben und welchen Luxus es bedeutet, so ein Ensemble gemeinsam auf der Bühne zu sehen. Die beiden anderen Stimmen kamen von Moi de Morón und Jesús Corbacho, der übrigens auch ein sehr guter Gitarrist ist und sich bei einem Stück selbst begleitete, drei total verschiedene Sänger und siehe da, es funktionierte.
An der Perkussion saß Paco Vega, variantenreich und respektvoll und an der Gitarre zwei Gitarristen der jüngeren Generation, Manuel de la Luz und Jesús Guerrero, der immer wieder durch seine feinen musikalischen Arrangements Aufmerksamkeit erregt. Ein großartiger Abend. Was uns Pepe de Pura, Jesús Corbacho und der unersetzliche Ulrich „El Rizos“ dann vor den Toren des Tanzhauses noch zum Geschenk machten ist eine eigene Geschichte.
Flamenco Festival
Tanzhaus nrw, 16./17.4.2017
Aviso: Bayles de Jitanos
Choreografie: Rafael Estévez, Antonio Molina, Valeriano Paños, Tanz: Antonio Molina „El Choro“, Gema Moneo; Gitarre: Manuel de la Luz, Jesús Guerrero; Gesang: Pepe de Pura, Jésus Corbacho, Moi de Morón; Konzept, Künstlerische Leitung: Rafael Estévez.
Fotos: Klaus Handner