Schon der Titel sagt es: José Galán hat einen klaren Verstand und ist ganz bei sich und bei dem, was er will: ein kleines Stück Ewigkeit in einer goldenen Hülle verpacken und die Zuschaure dazu zu bringen, Zeit, Ort, Unwegbarkeiten und etwaige Behinderungen zu vergessen. Behinderungen wie stürmisches Wetter, schlechte Laune, misstrauische Voreingenommenheit oder Trisomie 21.
Dass ihm das gelingt, werden alle bestätigen, die im Saal waren und auch die eine oder andere Träne vergossen haben. Es sind die Momente der Schönheit, die uns zu Tränen rühren und die uns bewegen und deren gab es viele.
José Galán ist Flamencotänzer und Pädagoge und gründete vor einigen Jahren seine eigene Tanzkompanie. Durch seine Arbeit bei Danza Mobile hatte er Erfahrung in der Arbeit mit jungen Menschen mit physischen oder mentalen Problemen und seine Erkenntnis daraus war klar: Es ist nur eine Frage des Blickpunktes oder wie Tänzerin Vanesa Aibar im Publikumsgespräch sagte: „Was ich aus dieser Zusammenarbeit gelernt habe ist, dass, wenn es Probleme gab, es meistens meine Schuld war. Was also wenn wir uns ein wenig an sie anpassen würden, als immer das Umgekehrte zu erwarten?“
Helliot Baeza und Reyes Vergara, Tänzer und Tänzerin mit Down Syndrom überzeugten die Zweifler durch ihre Professionalität (Helliot) und ihren Charme (Reyes) und auch dadurch, dass sie die waren, die den Zuschauern ein Olé nach dem anderen entlockten. Hinter mir saß ein kleiner Junge, der die Jaleos begeistert wiederholte und zwar genau am richtigen Platz: „¡Olé!, ¡Pasa! ¡Caramba!“ schallte nach vorne und auch das ein oder andere laute Lachen.
Diesen direkten Zugang haben wir verlernt, diese Impulsivität und diese Ehrlichkeit in unseren Reaktionen ungeachtet der Folgen. Als ich mich umdrehte, hielt er sich gerade die Ohren zu, strahlte mich an und sagte: „Lauuuuut“. Damit war das auch geklärt.
Juan de Mairena, interessanteste Cantaor Entdeckung der letzten Zeit und Inma La Carbonera haben nicht nur hervorragende Stimmen sondern auch die nötige Sensibilität, eine der berührendsten Szenen ist jene, in der Helliot Inma auf den Armen trägt, die dabei die Campanilleras der blinden Cantaora Niña de La Puebla singt. Vanesa Aibar spielt wunderbar mit 4 Fächern in ihrer Guajira de la Sordita, und ihr Pas de Deux mit Reyes Vergara mit dem Mantón ist einfach zauberhaft. Genauso bemerkenswert die Kraft und das Talent von Helliot Baeza in seiner zeitgenössischen Tanzsprache mit José Galán.
Die zahlreichen Anspielungen auf Künstler/innen mit Problemen aus der Flamencogeschichte sind wunderbar eingewoben in das ganze Stück und was fehlt ist der erhobene Zeigefinger. Nichts dergleichen stört den Fluss und der Rhythmus stimmt. Unter der Regie von Juan Carlos Lérida ist der Kompanie etwas gelungen, was im modernen Flamenco immer schwieriger wird: Eine Geschichte zu erzählen, ohne dass sie sich in den Vordergrund drängt, weil sie hervorragend interpretiert und ausgeführt wird, ein besonderes Erlebnis, das Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlässt.
Flamenco Festival
Tanzhaus nrw, 9.4.2017
Tanz: Vanesa Aibar, Helliot Baeza, José Galán, Reyes Vergara. Gesang: Inma „La Carbonera“, Juan de Mairena. Gitarre: Javier Gómez. Perkussion: Luati. Violine: Leslie Ann Jordan. Choreografie: José Galán. Regie: Juan Carlos Lérida
Fotos: Klaus Handner
Teaser 4
https://www.youtube.com/watch?v=Qn_7nPgbtic
Teaser 5
https://www.youtube.com/watch?v=Qn_7nPgbtic
Teaser 1
https://www.youtube.com/watch?v=Id0UV2knODg
Teaser 3
https://www.youtube.com/watch?v=NJ8yim9Y83Y