Am letzten Abend der Flamencobiennale NL sahen wir drei Tänzer/innen mit Stücken, die verschiedener nicht sein könnten und doch viel gemeinsam haben, vor allem den Flamenco als Werkzeug, aber auch eine Art der Befreiung und eine Unabhängigkeit von Konventionen, die mich immer wieder mit Bewunderung erfüllen, denn Mut ist eine der Eigenschaften, die dafür unabdingbar sind.
Den Beginn machte Andrés Marín mit einer Sequenz aus seiner „Vigilia Perfecta“, den Stundengebeten der Liturgie, die dazu dienten die verschiedenen Momente des Tages zu preisen. Es wurde bei der letzten Bienal de Sevilla uraufgeführt und in der Aceitera sahen wir die „Sext“,sie wurde zur sechsten Stunde der antiken Tageseinteilung gebetet (ca. 12 Uhr) und ist das Mittagsgebet der Kirche.
Mit nacktem Oberkörper und einer futuristischen Nonnenhaube, kreiert von José Miguel Pereñíguez bewegt sich Andrés in einen großen Raum, begleitet von Alfonso Padilla am Saxofon und dem Cante von Cristian de Moret. Das Gesicht verborgen geht er vorwärts, da ein sanfter Zapateado, dort ein Streichen über den Boden, da eine kleine Zärtlichkeit für die unverputzte Wand. Ein gregorianischer Choral, Rhythmus auf der Pandereta, Verinnerlichung, Konzentration und Einkehr, Stille.
Jeder Tänzer sollte einzigartig sein, keiner sollte dem anderen ähneln, sagte einst Isadora Duncan und nichts könnte mehr auf Andrés Marín zutreffen. Unverwechselbar, selbstbestimmt, genial und eigensinnig geht er seinen Weg, er streift die Haube ab und verschwindet im Feld, nackt und far from the madding crowd.
Schade, dass das Künstlergespräch so abrupt beendet wurde, da wäre noch viel zu sagen gewesen.
Ana Morales zeigte einen Teil ihres neuen Stücks „En la Cuerda Floja“, begleitet von Bolita, Paquito González und dem wie immer wunderbaren Pablo Martín Caminero am Kontrabass, ein Stück, das für die Bühne konzipiert war und im leeren Raum viel von seinem Zauber verlor. Ein sehr physisches Stück, in dem es um Balance und das Verlieren derselben geht, dieses sensible Gleichgewicht der Tänzerin, dieser schwierige Weg, bei dem die Zweifel oft größer sind als die Sicherheiten, aber genau das macht es spannend. Ana Morales in ihrem roten Kleid ist die Flamme, die immer wieder aufflackert, wenn man schon Angst hat, dass sie verlöschen könnte, und ja, sie ist eine großartige Tänzerin.
Im dritten und letzten Abschnitt zeigte Vanesa Aibar den Beginn ihrer Arbeit an ihrem neuen Stück „La Reina de Metal“, begleitet vom spanisch-holländischen Perkussionisten Eric Montfort. Wie in der monochromen Malerei beherrscht eine Farbe das Stück, in diesem Fall das Grau in verschiedenen Nuancen, auch die Klangfarben folgen diesem Mandat. Ketten, metallische Perkussion, ein dunkles Kleid aus Leder, Metall, Geräusche und Schatten. Dann wird es Nacht. Mal sehen, was der Morgen bringt.
Fotos: Maria Agar
Text: Susanne Zellinger