Flamenco oder Jazz – Andreas Arnold, Gitarrist und Komponist, beherrscht beide Sprachen und wenn er spielt, braucht man kein Wörterbuch. Sein Stil ist klar und deutlich. Seine Stücke sind interessant und bunt. Sie handeln von Orten, mit denen er Erlebnisse verbindet, von Menschen, die ihm etwas bedeuten, und aktuellen Ereignissen im Hier und Jetzt. Das erste Stück seiner letzten CD heißt dementsprechend „Now“. „Ojos Cerrados“ (2016) war ein reines Flamenco-Album, an dem Carles Benavent, Carles Dénia, Farah Siraj und viele andere mitwirkten. „Odisea“, aktuell bei Galileo erschienen und von der Besetzung kleiner gehalten, trägt deutlichere Jazzakzente, beispielsweise das interessant bearbeitete „Continuum“ von Jaco Pastorius, aber auch Flamencostücke wie das von Rocío Parilla gesungene „Alas al Alma“. Die CD ist schön, die Melodien sind eingängig, die Kompositionen ausgewogen.
Fast schon in guter Tradition der letzten Jahre überquert Andreas Arnold mindestens einmal im Jahr den Atlantik, um Konzerte in Europa zu geben, darunter stets auch einige in seiner alten Heimat. Von Deutschland zog es ihn bekanntlich zunächst nach Amsterdam zum Jazz, dann ging es nach New York, wo er den Flamenco entdeckte und blieb.
Mit seinem Auftritt in der Gelsenkirchener Kulturwerkstatt am 17. März beschert er uns zehn Stücke in gut zwei Stunden. Der Jazz-Improvisation wird viel Raum gegeben, ohne dass es langweilig werden könnte. Das Trio mit Petros Klampanis am Akustik-Bass und Miguel Hiroshi an der Perkussion spielt einen Flamenco, der stellenweise ein wenig zurückgenommen wirkt, aber immer das tragende Element bleibt.
Das Eröffnungsstück ist bezeichnenderweise eine den Abend einstimmende Soléa, die ein Jazzthema verarbeitet. Sie wird gefolgt von der Ballade „Thomas“ aus dem Erstlingswerk „Mozaíco“ (2012) und dem selten gehörten Stück „Continuum“ des zu früh verstorbenen Bassisten. „Soléa por H2O“ ist wiederum ein Flamencostück in durchaus traditioneller Spielweise. Es beschreibt das Wasser in all seinen Formen und Eigenschaften. Ich muss in unserer Welt des Klimawandels auch an Hochwasser- und Dürrekatastrophen denken. Ob das gemeint war? Jedenfalls lädt die Musik ein, den eigenen Gedanken nachzuhängen. „Un lugar al que solo se accede con los ojos cerrados, desde el que de verdad se puede ver y oir“. Nach der Pause beschreibt Andreas bei „Alikianos“ seine Gefühle an einem aus deutscher Sicht unrühmlich geschichtsträchtigen Ort auf Kreta und anschließend seine Stimmung angesichts des grauen Himmels über Paris „Paris, ciel gris“. Es folgen das programmatische, aber liedhaft eingängige „Odisea“ sowie „Bike Messenger“, das den Radkurieren in New York gewidmet ist, bevor es mit der Neu-Komposition „Head versus Heart“ aufs Konzertende zu geht. In der Zugabe „Caí-BK“ werden mit Cádiz und Brooklyn die zwei Orte besungen bzw. bespielt, die nicht nur auf jeder Landkarte, sondern auch im Herzen von Andreas einen festen Platz zu haben scheinen.
Jedenfalls sind die drei an diesem Abend in Gelsenkirchen in Top-Form. Die gemeinsame Spielfreude ist ansteckend. Petros Klampanis und Miguel Hiroshi, auch außerhalb dieses Trios renommierte Akteure, arbeiten auf einem Niveau der Extra-Klasse. Gitarristen – ganz gleich ob mit einem Faible für Flamenco oder Jazz – kommen bei Andreas Arnold sowieso auf ihre Kosten.
Ungewollt originell wird der Auftritt der „Perkussionsabteilung“. Da die Band nach der Landung direkt zum Auftritt musste, konnte die am Flughafen abhanden gekommene Instrumentenkiste nicht mehr aufgefunden werden. So spielte Miguel Hiroshi auf einem zusammengesuchten Instrumentarium, unter anderem einer Bratpfanne aus Edelstahl. Ob sich dies im Flamenco als Trend künftiger Aufführungspraxis, wie etwa der Einzug des Cajón zu Zeiten von Paco de Lucía, etablieren wird, muss sich allerdings noch zeigen.
Fotos: Sylvia Seelert
Text: Waldemar Mathejczyk