Der dritte Abend im ausverkauften Baluarte sollte zwei der ganz Großen gehören, José Mercé und Tomatito, so war es jedenfalls angekündigt. Seit seiner Zeit mit Camarón de la Isla ist es das erste mal, dass Tomatito sich entschlossen hat, wieder einen Cantaor zu begleiten, abgesehen von den Sängern, die immer auf seinen Tourneen dabei sind, aber das ist natürlich nicht dasselbe.
„Wir Begleitgitarristen sind der Teppich, über den die Sänger und Tänzer gehen“, sagte er in der Pressekonferenz und davon hat er sich in den letzten Jahren entfernt. Wenn er in Pamplona durch die Straßen geht, kommt er nicht weit. Die Menschen halten ihn ständig auf, ein Selfie hier, eine Umarmung da, und Tomatito ist großzügig und edel, zuvorkommend und freundlich, egal zu welcher Uhrzeit.
Tausende Menschen jubeln ihm zu, wenn er den Balkon der Plaza del Ayuntamiento betritt, bei brütender Hitze haben sie auf ihn gewartet, auf den Löwen aus Almería.
Aber zurück zum Konzert im Baluarte. Es eröffnet José Mercé mit einer Toná, aber dann gehört die ganze erste Hälfte Tomatito. Und wie sie ihm gehört. Beginnend mit den unverkennbaren Akkorden von „La Leyenda del Tiempo“ in seiner Hommage an Camarón über die Bulería, die nie zu Ende gehen soll, überfluten die Olés den riesigen Konzertsaal, seine Musikalität, der Drive und das Gefühl machen ihn zu einem der größten Gitarristen der heutigen Zeit. Vor allem, wenn er sich wohlfühlt, so wie gestern.
In der Ballade, die er mit seinem Sohn spielt, erinnert er sich an Paco de Lucía, da ist Wehmut, Sehnsucht und Schmerz, aber auch das Glück, ihn so nahe gehabt zu haben, und ein ganz kleines Stückchen von „Entre dos aguas“, meisterhaft eingeflochten, als wäre es immer schon da gewesen. Auch sein Sohn, José del Tomate, bekommt seinen Platz mit einer wunderschönen Zambra, einer Komposition seines Urgroßvaters Miguel del Tomate.
Als José Merce dann die Führung übernimmt, ändert sich das Panorama. Die CD, die er vorstellt, heißt „De Verdad“, aber die suchte ich vergebens.
Die beiden verbindet eine lebenslange Freundschaft und so wie Tomatito nach dem Tod von Camarón verwaiste, vermisst Mercé noch heute Moraíto Chco und so ist es schön, dass die beiden sich gefunden haben, denn auch José Mercé ist ein Großer.
Umso bedauernswerter ist es, dass die gemeinsame Arbeit nicht die Bedeutung hat, die sie haben könnte. Zu light sind die Arrangements und der omnipräsente Chorgesang der „Vier“, darunter Mercés Frau, nimmt vielen Cantes die Tiefe und deckt vieles zu. Aber dennoch war es ein denkwürdiger Abend, der sich bis in die Morgenstunden in einer Juerga im Hotel Tres Reyes fortsetzte. Und ja, Tomatito nahm wieder die Gitarre in die Hand und versetzte alle in einen Zustand der Glückseligkeit. Und nein, das lag nicht am Gin Tonic und schon gar nicht am White Label.
Flamenco on Fire 2019
Text: Susanne Zellinger
Fotos: Javier Fergo