Das Flamenco Festival im tanzhaus nrw unter der neuen Leitung von Juan Carlos Lérida startete mit einem kostbaren Geschenk, eines dieser kleinen Goldstückchen, das im Sieb liegenbleibt, während der Sand auf den Boden rieselt. So kühl der Titel, so sinnlich und emotional das Stück: ELEKTROFLAMENCO 3.0 ist eine traumwandlerische Reise durch die Landschaften des Lebens.
Die Kompositionen und Soundscapes von Daniel Muñoz „Artomático“ sind wie ein langer, nicht immer ruhiger Fluss, auf dem das Boot dahin gleitet, und er kennt jede Stromschnelle und jede Sandbank , er bestimmt den Rhythmus mit dem es vorwärts geht und die Verbindung zu den anderen Insassen bleibt in jedem Moment bestehen und nein, er braucht nicht von seinem Pult aufzusehen, er spürt, was passiert.
Juan Jiménez spielt sein Saxofon als wäre es ein Teil von ihm, großartig im Taranto von Camarón de la Isla, aber auch in jedem anderen Moment, aufmerksam, präsent und meisterhaft im Dialog mit Paula Comitre. Er ist der Schlangenbeschwörer in diesem Spiel.
Das Wunder der Paula Comitre. Despacio, muy despacio – langsam, ganz langsam betritt sie die Bühne, auf den Zehenspitzen setzt sie behutsam einen Schritt vor den anderen und lockt uns in ihr Märchenland der Schönheit.
Die Linien, die sie mit ihrem Körper zieht, sind wie das zarte Kräuseln der Wellen am Strand, wenn dann der Sturm aufzieht und es dunkel wird, verwandelt sich der Flug ihrer Bata zu einem wütenden Brausen und wäre da nicht der Klang der kleinen Glöckchen, würde man jede Hoffnung verlieren, aber nein, da nimmt sie sich zurück und langsam, ganz langsam beginnt sie sich zu drehen wie das Püppchen im Wetterkasten und wenn sie endet ist die See wieder ruhig.
Mit einer kleinen Handbewegung verändert sie die Stimmung, mit dem Heben der Augenbraue beruhigt sie den Sturm. Ihre Metallkastagnetten haben ein Eigenleben, sie schellen, sie schnappen nacheinander, sie flattern wie winzige Vöglein, sie geben Widerworte, wenn die Klarinette von Juan Jiménez zu ihnen spricht.
Paula ist alles auf einmal: Perfektion, Schönheit und Emotion. Das Wunder der Paula Comitre.
Wenn das der Flamenco der Zukunft ist, dann begrüßen wir den neuen Tag mit Freude. Dann kann es auch Nacht werden und wir haben keine Angst vor der Dunkelheit.
Fotos: Albrecht Korff
Text: Susanne Zellinger