Wenn man nicht weiß, wie man anfangen soll, geht man doch zuerst mal auf Wikipedia, das weiß doch immer Rat. Und da steht’s ja auch schon:

Palomares del Río ist eine spanische Gemeinde in der Provinz Sevilla, Andalusien, in der Comarca Aljarafe. Im Januar 2022 hatte es 9777 Einwohner. Es ist 13 km² groß und hat eine Bevölkerungsdichte von etwa 700 Einwohnern/km². Es ist eine der 46 Gemeinden, die den Großraum Sevilla bilden. Es liegt auf einer Höhe von 37 Metern über dem Meeresspiegel und 11 Kilometer von der Provinzhauptstadt Sevilla entfernt.

Palomares wurde von den Römern und Arabern besiedelt, bis es von Fernando III. el Santo erobert wurde, der es Paterna de los Judíos nannte. In der Vergangenheit lebte der Ort von der Landwirtschaft, insbesondere vom Anbau von Olivenbäumen.

In der letzten Woche lebte es von einem Traum. Dem Traum eines kleinen Jungen, der einst mit den Olivenbäumen sprach. Der in sein Heimatdorf zurückkehrte und dort ein Festival veranstaltete, das vier Tage dauerte.

Guirijondo

Und weiter geht’s mit Wikipedia:

Guiri ist ein spanischer umgangssprachlicher Begriff, der vor allem in Spanien verwendet wird, um unhöfliche ausländische Touristen, insbesondere aus Nord- oder Mitteleuropa, zu bezeichnen. Er umfasst jedoch auch alle Ausländer mit sehr weißer Haut und blondem Haar (ähnlich wie das Wort „Gringo“, das in Lateinamerika weit verbreitet ist). Obwohl der Begriff etwas abwertend ist, betrachten Spanier ihn nicht als Beleidigung, sondern als „liebevolle“ Anrede.

Nun ja, wie so oft in Wikipedia nur halbrichtig, aber bitte. Beim Festival ‚Guirijondo’ in Palomares del Río waren die Guiris alle freundlich, nicht unbedingt blond und der Name des Festivals eher aufwertend gemeint. Die Idee von Manuel Bohórquez ist eine gute und die Unterstützung von Bürgermeister Manuel Benjumea und Ayuntamiento Crew beispielhaft. Die Örtlichkeiten, von der Peña La Truja bis zu den märchenhaften Baños Árabes großartig und das Wetter angenehm.

Shen Wang

Dass zwei herausragende Frauen geehrt und ausgezeichnet wurden, war mehr als angemessen: Was Cristina Heeren für den Flamenco getan hat ist schon in die Geschichte eingegangen und die Lebensgeschichte von Estela Zatania, Künstlerin und Journalistin aus New York, müsste man eigentlich verfilmen.

Estela

Die Vorträge, der runde Tisch und die Filmprojektion von ‚Paraíso de Cristal’ fanden in der Truja statt, aber der wirkliche Zauber entfaltete sich erst in den arabischen Bädern. Was für ein wunderschöner Ort! Ambiente und Bühne waren perfekt, Ton ganz ok, Licht abenteuerlich und die Bar glänzte durch Abwesenheit.

Su Film

Ich möchte gar nicht genau auf alle Darbietungen eingehen, das können Sie gerne auf expoflamenco in den detaillierten Berichten von Alejandro Luque lesen, der zum Beispiel die Studierenden von Cristina Heeren, die am zweiten Abend auf der Bühne standen, namentlich erwähnt mit ihren Herkunftsländern – Singapur, Frankreich, Spanien, Bolivien, Estland und Holland – das ist doch einfach großartig, finde ich. Diese Natürlichkeit, mit der sich Namen und Nationen mischen, ist im Modern Dance ja eine Selbstverständlichkeit, im Flamenco aber etwas Neues und wenn es Guirijondo braucht um das zu ändern, dann ist es eben so.

Jafelin

Und ob jetzt Antonio Moya ein Guiri ist, nur weil er in Frankreich geboren wurde oder warum der Ausnahmegitarrist Rafael Riqueni auf der Bühne stand nur weil ein Teil seiner Familie in Palomares lebt, eigentlich sollte das gar keine Rolle spielen, schließlich geht es hier ja auch vorrangig um die Kunst, genauso wie sich die Frage, ob etwas puro ist oder nicht erübrigt, wenn es um den Flamenco geht.

Rubem

Genauso wie die Frage, was jetzt die Guiris genau zum Flamenco beitragen, ist das nicht obsolet? Fragen Sie doch Rubem Dantas, der stand nämlich hier auch auf der Bühne im Gespräch mit Faustino Núñez oder José Luis Ortíz Nuevo, der sich in seinem unterhaltsamen Pregón unter anderem auf unsere Fanny Elssler bezog, geboren 1810 in Gumpendorf, die als hervorragende Interpretin spanischer Tänze in die Geschichte einging.

Ein schier endloses Thema, aber was im Gedächtnis bleibt, ist ein wunderschönes Festival, dem ich hiermit ein langes Leben wünsche.

Festival Guirijondo

Palomares del Río

12.-15. April 2023

Fotos: Quico Pérez Ventana

Text: Susanne Zellinger