Wieder Sehen macht Freude
Ich begleitete das Team von „Nocturno“, Leonor Leal, Alfredo Lagos und Antonio Moreno“ auf ihrer Tour durch die Niederlanden und sah mir das Stück jedes mal wieder an und stellte fest, dass es unglaublichen Spaß macht, ein Stück öfter zu sehen. Das wäre mal eine Idee für ein neues Abo, fünf mal „Nocturno“ an aufeinander folgenden Abenden. Erstens entdeckt man jedes mal andere Dinge, die einem beim einmal sehen entgehen und zweitens haben die Flamencos eine Lust an der Veränderung und einen Wagemut, Dinge auf der Bühne auszuprobieren, die, wie ich finde, einzigartig ist.
Das macht ein Stück dann natürlich auch lebendig und manchmal sieht man auch einen kleinen Funken von Überraschung auf dem Gesicht eines Künstlers, wenn etwas anders ist, als gedacht. Ich als Wiederholungsseherin kann jedenfalls nur empfehlen, sich Stücke öfter anzuschauen, Gelegenheit dazu bietet sich ja schon zu Ostern beim Festival im tanzhaus nrw, sowohl bei Ana Morales als auch bei Rocío Molina.
„Nocturno“ hatte am Donnerstag seine Jerez – Premiere, in der Heimatstadt von zwei der Protagonisten, Leonor Leal und Alfredo Lagos, die Ausnahmeerscheinung Antonio Moreno aus Utrera und wieder sah oder vielmehr hörte ich Veränderungen wie einen großartigen Alfredo Lagos, diesmal besonders inspiriert und mit einer Leichtigkeit, die immer wieder überrascht, egal ob er Bach spielt oder eine Soleá, bei der der Compás wie unter der Erde mitschwingt.
Leonor Leal passte sich an die kleine Bühne an, ohne größere Schwierigkeiten natürlich, und die Nähe zum Publikum ließ den Funken ihres Temperaments und ihrer Natürlichkeit sofort überspringen. Contemporaneo oder klassisch ist hier kein Thema, es ist ein modernes Stück aus der heutigen Zeit, das die Serie der „Dreier“, die Israel Galván mit „La Edad de Oro“ begonnen hat, auf höchstem Niveau fortsetzt.
Leonor Leal: „Nocturno“
Sala Paúl, 28.02.2019
„Sierpe“ – im Anfang war die Schlange
Ein interessantes Stück gab es am Abend vorher in der Sala Compañía. Vanesa Aibar, bekannt bei uns noch am ehesten durch ihre Zusammenarbeit mit José Galán und Flamenco Inclusivo, wagte sich an ein Stück mit hohem Symbolgehalt und stellte die Schlange in den Mittelpunkt.
In Indien als Mischwesen zwischen Schlange und Mensch verehrt, das mit den Göttern zusammen gearbeitet haben soll, machte sie im Okzident die Bibel zum Symbol der Falschheit und des Bösen. Sie überredete Eva dazu, die verbotene Frucht zu essen, woraufhin Gott sie allesamt verfluchte.
Beginnend in einem faszinierenden Kettenkleid mit Bata de Cola führt sie als Protagonistin durch das Stück bis zur Befreiung am Ende, wo dann auch ihre tänzerischen Qualitäten zu Tage treten.
Ihr Tanz ist modern, frei und sehr ästhetisch, die Ideen und Details spannend und zahlreich, der Moment, wo sie statt Kastagnetten Steine in den Händen hat und sie aufeinander schlägt, die Haare, die von Tremendo Hijo streng geflochten werden – eine sehr schöne Szene übrigens – und die sie als Zeichen der Befreiung später löst, der riesige Hut, hinter dem sie kaum zu sehen ist, all das hat einen Hintergrund und ein warum, und im Großen und Ganzen versteht man es auch.
Der Gesang von Tremendo Hijo und Rocío Guzmán war nicht immer angenehm, manchmal zu nah aneinander und dadurch irritierend und die Gitarre zu bruchstückhaft, aber wie gesagt, ein interessantes Stück und eine sehr begabte Tänzerin.
Vanesa Aibar: „Sierpe“
Sala Compañía, 27.02.2019