Das Licht eines neuen Tages
In diesen Zeiten, in denen es manchmal wirklich schwer ist, Dinge einzuordnen, damit sie in der richtigen Relation zu anderen stehen, erkennen wir trotzdem, wenn wir etwas sehen, das sich dieser Ordnung entzieht, weil es sich über alles andere erhebt. So geschehen gestern Abend im Teatro Villamarta und „Rayuela“.
Marco Flores aus Arcos de la Frontera ist im Moment einer der Tänzer, die das größte Spektrum abdecken, sei es Flamenco, modern oder klassisch , er kann alles und hat dabei eine Leichtigkeit, die anderen fehlt. Er erhebt sich in die Lüfte wie ein Vogel und verströmt dabei die Fröhlichkeit und die Unbekümmertheit eines Kindes, das sich darüber freut, dass es im „Himmel und Hölle“ Spiel nicht daneben geworfen hat.
Dieses Spiel, das dem Stück seinen Namen gegeben hat, spiegelt viel von dem wieder, worum es in „Rayuela“ geht: Versuchen, den Himmel zu erreichen, weil man sonst in die Hölle fällt, was aber nicht die ewige Verdammnis bedeutet, weil man jederzeit wieder neu beginnen kann. Man wirft ein Steinchen in ein anderes Kästchen und beginnt von vorn.
Marco Flores hat mit „Rayuela“ ein Format gewählt, das sich seit „La Edad de Oro“ immer mehr bewährt: Ein Sänger, ein Gitarrist und ein Tänzer. Klingt einfach, ist es aber nicht. 90 Minuten mit nichts anderem zu füllen bedarf nicht nur einer Auswahl von hervorragenden Künstlern sondern auch einem rhythmischen Aufbau des Stückes, der niemals abfällt oder monoton wird, einer Lichtregie, die Räume schafft und einer absoluten Ausgewogenheit der Kräfte.
David Lagos ist im Moment der Sänger, der die meisten Stile beherrscht, aber das ist es nicht allein, seine Stimme, die er bis auf ein Pianissimo zurücknehmen kann, ohne an Intensität zu verlieren ist chamäleonisch wandelbar, ist er in der Malagueña noch ganz Chacón , wird er in der Milonga zum Primo von Carlos Gardel und in der Jota zu einem von vielen. Er nimmt sich zurück und er macht sich stark, wann er will und wie es scheint ohne Mühe und in einer Sicherheit in der Intonation, die der von Camarón nahe kommt.
Sein Bruder Alfredo Lagos an der Gitarre ist ein anderes Phänomen. Und es ist nicht nur seine technische Perfektion, die sich in seinen lupenreinen Tremolos und seinen temperamentvollen Remates äußert, sondern auch hier die Gelassenheit, mit der er komplexe Strukturen meistert und Neuerungen präsentiert wie den Übergang in einer Rondeña, die plötzlich tanzbar wird.
„Rayuela“ ist ein Stück von beeindruckender Schönheit mit drei Künstlern, die auf ihrem Gebiet zu den besten gehören, Marco Flores ein Tänzer, vor dem andere Künstlerkollegen sich verneigen. Nicht zu vergessen natürlich die Regie von Francisco López, die Lichtzauberei von Ada Bonadei und die ausgewogene Tontechnik von Chipi Cacheda. Ein unvergesslicher Abend.
Cía Marco Flores: Rayuela
Teatro Villamarta, 04.03.2020
Fotos: Javier Fergo