Sota, caballo y reina

Ein Stück, wo schon der Titel eine Erklärung braucht, die sich jemandem, der nicht in Spanien aufgewachsen ist, nicht erschließt, ist ein Wagnis, das man eingeht, wenn man vorhat, nirgends anders aufzutreten als im eigenen Land. „Sota, caballo y rey“ bezieht sich auf ein Kartenspiel und bedeutet so etwas ähnliches wie „Bube, Dame, König“ und heißt, das Spiel ist gewonnen und es ist wie es ist. Oder wie es immer war. Die Umformung auf „Sota, caballo y reina“ mag sich auf die Stellung der Frauen oder ihre Wichtigkeit beziehen oder darauf, dass Marco Flores so ist, wie er ist. Oder auch nicht.

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Was folgt sind zahlreiche Anspielungen auf geschichtliche Details, vom Concurso 1922 in Granada, über Lorca – der bei mir inzwischen auf der schwarzen Liste steht, so sehr ich ihn als Dichter und Künstler verehre – weil er bis zum Erbrechen als Figur in Theater und Tanzstücken auftaucht, über Alfonso XIII, historische Gitarristen und Bilder aus vergangenen Zeiten uswusf. Die projizierten Videos tragen auch nicht zur Erhellung bei, Frauen im Tschador, Kriegs- und andere Szenen, die Illustrationen von Patricio Hidalgo sind nett aber eigentlich überflüssig, weil die Personen sowieso keiner kennt, der sich nicht dem Studium der Flamencogitarre gewidmet hat.

Das akustische Durcheinander, hervorgerufen durch drei Sänger aus Jerez, die auch als Palmeros fungieren und durch ihre ununterbrochenen Jaleos manch schönen Moment zerstören, erschöpften mich nach ca dreizehn Minuten und Marina Valiente hätte besser in ein Tablao gepasst.

Der erste Lichtblick kam mit José Valencia – was für eine Stimme, was für eine Präsenz – obwohl mir auch unverständlich war, warum sich nach einer Stunde der Vorhang schloss und er davor eine großartige Soleá singen musste wie bei einem Solokonzert.

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Die Kostüme waren wie meistens bei Marco Flores vollkommen daneben und als die beiden Tänzerinnen im knalltürkisen Kleid mit Bata die Bühne besetzten, schloss ich für einen Moment die Augen und gönnte mir eine visuelle Pause.

Als nach einer gefühlten Ewigkeit Marco Flores seine unglaubliche Bulería tanzte, war ich begeistert, wie alle im Publikum, aber eigentlich kam sie viel zu spät.

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Ich fühlte mich wie „El Niño de Jerez“ nachdem er vor hundert Jahren zu Fuß von Jerez nach Granada ging um am Concurso teilzunehmen.

Eigentlich erwarte ich mir von einem Stück, das so überladen ist, einen Hinweis darauf, wohin es gehen soll, was mir der Künstler sagen will, es handelte sich ja nicht um ein abstraktes Tanzstück, bei dem man nicht nach einer Antwort sucht, weil es keine gibt, genauso wenig wie eine Frage.

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Die Erwartungen waren hoch und sie wurden enttäuscht. Soll ja vorkommen.

Marco Flores: Sota, caballo y reina“

Teatro Villamarta

27.02.2023

www.festivaldejerez.es