Nun hat die wunderbare Ausstellung El Duende Desnudo von Juraj Horniak endlich den Weg nach Jerez gefunden. Im Centro Andaluz de Documentación del Flamenco beim Festival de Jerez sind die Fotos zu sehen und aus diesem Grund veröffentliche ich hier das Interview, das ich vor einigen Jahren für die ANDA machte.

Juraj Horniak: Die besten Ideen kommen mir, wenn ich schlafe

Juraj Horniak, in der Slowakei geboren, überraschte bei der diesjährigen Bienal mit seiner großartigen Ausstellung „El Duende Desnudo“ im Teatro Central, er zeichnete 10 Flamencos, unter ihnen Esperanza Fernández, Dani de Morón oder Arcángel, ihre Gedanken und Gefühle auf den Körper. Wie er das gemacht hat, erzählt er im folgenden Interview.

Eigentlich kommt der Weltenbummler aus der Welt der Werbung, vor einigen Jahren beschloss er jedoch, sein zu bequemes Leben aufzugeben, er machte eine Dokumentarfilm Reihe über das Mediterraneo, das er zu Fuß durchwanderte mit dem Titel „8 Million Steps“. Seit einigen Jahren lebt er in Cazalla de la Puebla.

Wie waren denn deine ersten Schritte in der Flamencowelt?

Ich war schon immer ein großer Aficionado und ich habe viele Freunde in der Flamencowelt, aber dieses Projekt wurde durch eine göttliche Eingebung geboren, als mich eines Nachts in meinen Träumen der Duende besuchte und mir ins Ohr flüsterte „Das wäre doch etwas für dich, oder?“ Als ich aufwachte, war ich total aufgeregt, ich machte eine kleine Zeichnung auf ein Stück Papier und es gefiel mir. Dann machte ich ein Probefoto und dieser Körper in seiner Nacktheit mit den Botschaften darauf, der gefiel mir noch besser, aber etwas fehlte. Und einige Nächte später besuchte mich der Duende noch einmal und er sagte „Mach es mit Flamencos!“ und als ich erwachte, fand ich die Idee großartig.

Ich begann sofort meine Freunde anzurufen und die erste, die zusagte, war Esperanza Fernández, dann Arcángel und die anderen.

Wie hast du ihnen denn dein Projekt beschrieben?

Na ja, der Anfang war nicht so einfach, denn sie wussten nicht genau, was sie erwartete und dann das mit der Nacktheit und das bei Menschen wie Esperanza, die aus einer traditionellen Gitano Familie kommt, das ist fast skandalös und eigentlich hat es mich überrascht, dass sie ja gesagt hat.

Ich habe sie nachher gefragt, warum sie zugestimmt hat und ihre Antwort hat mir gefallen:“ Das stimmt“, sagte sie, „ich ziehe mich eigentlich vor niemandem aus, außer vor meinem Mann, aber das hier ist etwas anderes, das ist Kunst“ und als sie dann das fertige Foto sah „ Du lieber Himmel, das wird mich überleben, aber meine Enkel werden es lieben und es wird noch hier sein, wenn ich schon gegangen bin.“

So ungefähr hatte ich es ihr auch erklärt, als eine Einheit von Körper, Seele und Duende und auch die, die am Anfang noch skeptisch waren, fanden die Idee schließlich gut. Dann machten wir die erste Fotosession in meiner Wohnung, die ich in ein Studio umgewandelt hatte, meine Freundin übernahm das Catering und wir machten alles so angenehm wie möglich, damit sie sich wohlfühlten. Bei den Interviews waren dann alle viel offener, als ich es erwartet hatte, sie haben mir unglaublich viel erzählt.

Das, was auf ihren Körpern steht haben sie gesagt?

Das sind ihre Worte, abgesehen von einigen kleinen Symbolen, die niemand verstehen wird, das sind kleine Geheimnisse zwischen ihnen und mir.

Wie ging das denn technisch?

Das, was am längsten gedauert hat war, sie zu überzeugen, so dieser erste Schritt eigentlich. Dann haben wir die Fotos und das Interview gemacht. Danach habe ich die Interviews runtergehört und die wichtigsten Sätze herausgesucht. Als nächstes hat mir ein Freund in Australien großformatige Ausdrucke gemacht und sie mir geschickt. Ich schrieb dann alles, Buchstabe für Buchstabe mit einem feinen Pinsel auf die Fotos – manche Leute denken ja, ich hätte das direkt auf ihre Körper gemalt, aber das hätte ja zwei Wochen gedauert – fotografierte es wieder und das war’s.

Und wie war ihre Reaktion, als sie das fertige Foto sahen?

Sie waren alle begeistert, ich habe mit jedem von ihnen nach Beendigung des Projekts gesprochen und sie identifizierten sich total mit dem Foto und der Botschaft.

Was ist denn für dich der Duende?

Für mich ist der Duende der, der dich in dem Moment inspiriert, in dem du es am wenigsten erwartest. Ich weiß, dass er im Flamenco noch ganz spezielle Konnotationen hat und mit Leid und Blut zu tun hat, aber das ist eher eine von Lorca inspirierte Deutung. Der Duende ist so etwas wie eine kreative Trance, die über dich kommt und du willst ihn auch gar nicht erklären, weil er von dir Besitz ergreift. Du lässt ihn mit dir tun, was er will und kämpfst am besten nicht dagegen an. Er ist auch irgendwie etwas Flüchtiges, du kannst ihn nicht rufen.

Aber es ist doch auch etwas gemeinsames, oder?

Ja, im Flamenco ist es auch der Moment, in dem alle das Gleiche fühlen und niemand sich darüber wundert, dieser gemeinsame Geist, das ist er auch, der Duende.

Du bist ja nicht von hier, braucht es Menschen von außerhalb um dem Flamenco seine Würde wieder zu geben?

Die, die ihm so nahe sind, sind ein wenig Gefangene des Alltäglichen und Leute, die von außen kommen, wie du und ich, entdecken eine völlig neue Welt und die Faszination und Wertschätzung sind immens, weil wir wissen, dass wir hier etwas ganz Besonderes gefunden haben, etwas mit ganz tiefen Wurzeln und dadurch können wir den Flamenco mehr schätzen. Hier gibt es aber auch das Umgekehrte, viele Andalusier leben in dem Glauben, dass der Flamenco nur ihnen gehört und sie finden es nicht immer gut, wenn zum Beispiel eine Japanerin tanzt, aber meine 10 Flamencos gehören da sicher nicht dazu. Wenn eine Koreanerin Schubert perfekt interpretieren kann, warum soll sie das dann mit dem Flamenco nicht können? Da gibt es immer diese zwei Seiten.

Wer war denn deine Schlüsselfigur, die dich zum Flamenco gebracht hat?

Paco de Lucía, wie für so viele andere auch.

Was hast du denn in Zukunft mit dem Flamenco vor?

Im Moment befinde ich mich sozusagen in einer Wochenbett-Depression, ich habe über ein Jahr am „Duende desnudo“ gearbeitet und frage mich natürlich gerade „Und was mach ich jetzt?“ Aber zunächst werde ich meine Ausstellung promoten und versuchen, sie unter die Leute zu bringen, als Wanderausstellung, aber da gibt es schon ganz vielversprechende Pläne. Und dann warte ich auf den nächsten Besuch des Duende. Ich sollte einfach mehr schlafen, da kommen mir die besten Ideen.

Du hast ja auch Dokumentarfilme gedreht…

Ja, habe ich. Ich komme ja eigentlich aus der Werbewelt, ich hatte eine Firma und arbeitete als Creative Director, ich lebte viel zu bequem und eines Tages erwachte ich morgens und fragte mich, was ich hier eigentlich tue.

Als ich jung war, war ich Künstler und das will ich wieder sein, sagte ich mir, Künstler ohne Netz und feste Klientel. Und so machte ich ein Filmprojekt, „8 millon Steps“, ich war zu Fuß unterwegs und machte Dokumentarfilme über die Mittelmeerländer im Spannungsfeld zwischen Kommerzialisierung und Tradition. Ich wollte wissen, ob diese Länder mit ihrer alten Kultur dem Druck des Massentourismus und der Industrialisierung standhalten.

Welche Flamenco-Doku würdest du denn gerne machen?

Eine gute Frage …. Vielleicht einen Film über die Flamencos, die nicht so berühmt sind, die sich aber nicht geschlagen geben, über ihren täglichen Überlebenskampf und wie sie sich dennoch weigern, ihre Prinzipien aufzugeben, das würde mich interessieren, glaube ich.

https://vimeo.com/289327682

https://www.8millionsteps.com/

Text: Susanne Zellinger

Fotos: Juraj Horniak