Was nur eine kurze Reise werden sollte, wurde für Manuel de Falla Anfang des letzten Jahrhunderts ein Aufenthalt von sieben Jahren in Paris, in der Zeit, als sich dort alle namhaften Künstler versammelten, die in der Kunst vieles verändern sollten. Da waren Debussy, Picasso, Ravel und viele andere mit denen Falla regen Kontakt unterhielt und die ihn wahrscheinlich zu einem der berühmtesten Stücke der spanischen Musik inspirierten: „El Amor Brujo“.
Nach seiner Rückkehr nach Madrid komponierte er das kleine Stückchen, speziell für die große Bailarina Pastora Imperio, die Premiere fand 1915 im kleinen Teatro Lara in Madrid statt und es hieß damals noch „Gitanería en un acto y dos cuadros“.
Zehn Jahre später tanzte La Argentina „El amor brujo“ mit Vicente Escudero in Paris und machte das Stück zu einem der erfolgreichsten Musikstücke der spanischen Musik, Falla startete damit eine kleine musikalische Revolution und galt als einer der wichtigsten Komponisten, die den Weg in die Moderne öffneten.
Was heute fast schon als Klassiker gilt, an „EL Amor Brujo“ kam in den letzten Hundert Jahren kaum ein Schüler vorbei, so wie bei uns im Norden an Goethes Faust, was damals also ein Teil der Avantgarde.
Und Falla war sich in dem Moment sehr wohl bewusst, dass er etwas Ungewöhnliches geschrieben hatte:
„Wir haben ein seltsames, neues Werk geschaffen, von dem wir nicht wissen, welche Auswirkungen es auf die Öffentlichkeit haben könnte, das wir aber gespürt haben. Was meine Arbeit betrifft, muss ich gestehen, dass ich noch nie so entspannt gearbeitet habe wie in den drei Monaten, in denen ich „El Amor Brujo“ geschrieben habe.“
Muss man das alles wissen, um zu verstehen, was gestern auf der Bühne des Villamarta passierte? Muss man nicht, aber es ist doch ganz hilfreich. Wenn man die Ästhetik der damaligen Zeit kennt, die Posen, das liebreizende Lächeln, die ondulierten Haare, dann ist ganz offensichtlich, woran Israel Galván sich orientiert hat, nicht nur im musikalischen Sinn.
Er schafft hier eine neue Kunstfigur, die aber gelebt haben könnte und in der dennoch ein großer Teil seiner Persönlichkeit lebt. Er fühlt sich sichtlich wohl in seiner Rolle, er trägt Frauenkleider und eine blonde Perücke, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Er tanzt die Musik, die meiste Zeit sitzend, obwohl man das auch nicht Sitzen nennen kann, er ist ja die ganze Zeit in Bewegung, er rutscht, er rollt, er schneidet Grimassen, fast pantomimisch, er ist graziös, zärtlich und er trippelt durch das Geschehen und ist ganz bei sich.
Angel Rojas-Marcos am Klavier führt durch die Szenen am Klavier, David Lagos steht hinter dem Mikro aus dem Jahre Schnee und beweist wieder einmal seine unglaubliche Flexibilität – was kann der eigentlich nicht – und es gibt auch durchaus amüsante Momente, worin auch eine gewisse Gefahr liegt, aber vielleicht muss man einfach den Inhalt vergessen und sich zurücklehnen. Das Publikum ist auf jeden Fall gefordert, das steht fest.
Aber wie allseits bekannt kann die Kunst keine Antwort auf aktuelle Bedürfnisse geben, schon gar nicht auf die der Zuschauer. Die waren nach der Vorstellung auch einigermaßen verwirrt, aber was soll’s. Ein Hoch auf die Freiheit der Genies!
Israel Galván: „El Amor Brujo“
Teatro Villamarta, 09.03.2019