Ein „Poema escénico“
Die Eröffnung ist vorbei und das Glücksgefühl zu beschreiben, als ich zum ersten mal wieder im Theater saß, fände hier keinen Platz und es ist auch nicht das Thema. Interessanter ist da schon, dass mit „Al igual que tú“ wieder ein Stück ausgewählt wurde, das Anlass zu vielen Diskussionen gab, aber vielleicht ist das ja gewollt. Der Regisseur Alfonso Zurro bezeichnete es als „Poema escénico“, was immer das auch ist, ich konnte es nicht wirklich nachempfinden, denn es gab dazwischen wohl theatralische Rezitationen, aber wenn sie zur Erhellung dienen sollten, muss ich das leider verneinen.
Casta Diva
Der Beginn mit einer der berühmtesten Arien der Operngeschichte, der „Casta Diva“ aus Norma von Vincenzo Bellini war vielversprechend und trieb mir ob der Schönheit gleich die Tränen in die Augen und deutete auch schon darauf, dass Eva Yerbabuena nicht nur ihr eigenes Schicksal sondern das vieler Frauen reflektieren wird, sozusagen eine Reise in ihre innersten Gefühle, zu den Tiefen ihrer Existenz als Frau und als Künstlerin.
Der Inhalt von Norma ist auf Wikipedia nachzulesen, eine tragische Liebes- oder eher Lebensgeschichte, in der es um Liebe, Betrug, Enttäuschungen, Eifersucht und Rache geht, aber auch um Loyalität und Zugehörigkeit.
Die Hohepriesterin Norma ist durchaus mit Eva Yerbabuena zu vergleichen, es ist faszinierend, wie die Yerbabuena ihren Status bewahrt, trotz Irrungen und Wirrungen, die es auch im aktuellen Stück gibt. Es ist eindrucksvoll, das schon, durch die hervorragenden MusikerInnen, allen voran Sandra Carrasco, aber auch durch die Tableau artige Inszenierung. Die Sänger spielen in der Luxusliga, Paco Jaranas Kompositionen sind eingängig und schön, die Perkussion untadelig und Fernando Jiménez vor allem im ersten Bild eindrucksvoll obwohl unbeweglich. Auch Ella Gerry, die Nichte der Eva überzeugte in ihrer kurzen, aber bewegenden Intervention.
Das Problem
Warum es dennoch nicht überzeugen konnte, lag vor allem am Rhythmus. Wie jeder Film und jeder Roman muss auch bei einem Bühnenstück der Rhythmus stimmen, sonst funktioniert es nicht.
Die Momente der Stille oder der Erstarrung sind ungeheuer wichtig und wenn sie keine Kraft haben, nichts ausstrahlen, sozusagen nicht über den Bühnenrand hinauskommen, dann ist da nichts.
Wenn die Sequenz eines „fremden“ Tänzers – in diesem Fall Fernando Suels Mendoza, Venezolaner und ohne Zweifel Schüler von Pina Bausch, zu lange dauert, das Publikum nichts versteht und auch emotional nicht berührt wird, breitet sich Unmut aus, den auch die Soleá der Yerbabuena nicht beschwichtigen konnte.
Das großartige Schlussbild wird in Erinnerung bleiben und einiges andere auch. Vielleicht.
„Al iguel que tú“
Eva Yerbabuena
O6.05.2021, Teatro Villamarta
Festival de Jerez
Text: Susanne Zellinger
Fotos: Javier Fergo