Eduardo Guerrero ist einer der ganz großen Tänzer der heutigen Zeit. Abgesehen von seinen körperlichen Möglichkeiten, die ihm ein schier unendliches Bewegungsrepertoire erlauben, ist er wie ein Vulkan, der aber statt Asche Funken versprüht, die die Zuschauer elektrisieren und mit Freude und Erwartung erfüllen, die nie enttäuscht wird. Er gibt alles und er erreicht alle.
Obwohl seine Zapateados unendlich schnell sind, seine Drehungen schwindelerregend, braucht er dazu nichts. Er könnte auch in der Wüste zum Wehen des Windes tanzen.
Was er aber definitiv nicht braucht ist eine vom zeitgenössischen Tanz geliehene Bühnenregie mit Bildern, die die Aufmerksamkeit so von ihm ablenken, dass man ihn aus den Augen verliert. Und wenn es nur Bilder gewesen wären, aber nein, es war ein riesiger Vorhang aus bunten Kleidungsstücken, auf der Bühne befand sich ein großer Erdhaufen, aus dem nach gefühlten 20 Minuten, es musste nämlich das Eintreten der Zuschauer abgewartet werden, was in Jerez bekanntlich dauern kann, Manuel Soto, Samara Montáñez und Javier Ibáñez auftauchten, in Decken gehüllt, etwas erschöpft, aber zumindest da.
Der Sound, auch der, der aus der Dose kam, war zu laut und über die Kostüme möchte ich lieber den Mantel des Schweigens bereiten. Wer „Sombra efímera“ bei der Bienal de Sevilla gesehen hatte, als es sich in einer großen Luftblase entfaltete, der verstand den Titel, denn da waren sowohl Schatten, als auch Vergängliches, Flüchtiges, Schönes. Davon war gestern im Teatro Villamarta nichts zu finden. Da war alles schwer, manchmal fast bleiern, was bei Eduardo Guerrero kaum vorstellbar ist, aber sogar das gelingt, wenn man es unbedingt will.
Erst im letzten Drittel begann er sich zu befreien und es geht ein Aufatmen durch die Reihen. Da ist er wieder und in der Bulería por Soleá springt seine Energie über den Bühnenrand wie nichts, nicht eine Betonmauer könnte sie aufhalten. Wobei wir wieder beim Anfang wären: Eduardo Guerrero ist einer der ganz großen Tänzer der heutigen Zeit.
Eduardo Guerrero: „Sombra Efímera“
Teatro Villamarta, 27.02.2019