Oft sind es nur Kleinigkeiten, oder besser gesagt, kleine Geistesblitze, die eine Inszenierung besser machen oder interessanter und zu ganz besonderen Momenten führen, wie die Idee, die Musiker links in einer Reihe senkrecht zum Bühnenrand zu positionieren und nicht, wie meistens, parallel.
So geschehen am gestrigen Abend bei „Anónimo“ von David Coria. Es schuf eine ganz eigene Intimität auf der Bühne und machte die Zuschauer zu Beobachtern, wobei aber immer eine Verbindung bestand, man fühlte sich nicht ausgeschlossen, hatte das Gefühl etwas ganz Besonderem beiwohnen zu dürfen.
Nächster Pluspunkt war die großartige Lichtregie von Gloria Montesinos, einfach, durchdacht und effizient. Sie schuf Räume ohne Wände, Weite ohne dass sich alles im Nichts verlor, Spiel mit Licht und Schatten und vor allem Klarheit, wenn sie angebracht war. Hier musste man ausnahmsweise einmal nicht erraten, was auf der Bühne vor sich ging.
Die Musiker, der Gitarrist Jesús Torres, Daniel Suárez an der Perkussion und Sancho Almendral schufen gemeinsam mit einer großartigen Gema Caballero einen packenden Soundtrack, da gab es keine Momente der Leere, auch wenn sich einmal nichts rührte, die Musik war da.
Auch der Aufbau ist perfekt, ich glaube ja da immer noch an das klassische Drama mit Einführung, Höhepunkt und Schluss. Aus. Das war’s. Wie intensiv die jeweiligen Teile sind bleibt dem Regisseur überlassen, aber im Prinzip funktioniert so jeder gute Roman und jeder gute Film.
Der Höhepunkt näherte sich als David Coria Gema Caballero auf die Schultern nahm, da waren die Tänzer schon im weißen Tutu, das sein Gesicht verdeckte und in einer hinreißenden Choreografie von Ana Morales eine Farruca tanzten, die Frau auf dem Thron sich in ein Fabelwesen verwandelte, das mit aller Kraft ihr Lied sang bis der entkräftete Diener sie stöhnend von seinen Schultern lud.
Und dann kam die Petenera, in der David Coria bewies, warum er zu den ganz Großen gehört. Makellos, kraftvoll und bestimmt übernahm er die Führung des Trios um sich wenig später mit den beiden anderen wieder zu vereinen, mit Eduardo Leal und Rafael Ramírez in ein anonymes Wesen, das dennoch sehr deutlich zeigte, worum es in diesem Stück ging: nicht um Anonymität sondern um jeden einzelnen, der aber, wenn er sich mit anderen vereint etwas Neues schafft, wie die Schneeflocken, alle einzigartig, aber erst wenn sie alle vereint sind schaffen sie die glitzernde Schneedecke, die alles mit Schönheit bedeckt.
David Coria: „Anónimo“
Teatro Villamarta, 07.03.2019