Antonio El Pipa: „Estirpe“
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich Antonio El Pipa zum ersten mal sah. Beim Festival de Jerez vor gefühlten 20 Jahren. Er war groß, er sah gut aus, Gitano aus Santiago und er hatte die schönsten Schuhe an. Es sang Juana la del Pipa und das Publikum tobte. Es gefiel mir und ich war fasziniert von der Stimmung, die ihn auf Wolken trug, der ganze Saal war in Euphorie und die Olés reihten sich aneinander wie im Fußballstadium.
Gestern Abend hat er seinen sinkenden Stern ideal aufgefangen, indem er einen Abend, in dem eigentlich der Tanz im Mittelpunkt stehen sollte in ein Recital de Cante verwandelt und das nicht einmal unelegant: Mit einem vor Kraft strotzenden Jesús Méndez und einem exquisiten Antonio Reyes, einem jungen Samuel Serrano, daneben auch noch Morenito de Illora und El Quini, auch Joana Jiménez trug ihre Coplas durch den Saal, obwohl ihr zu enges Kleid sie nachdrücklich daran hindern wollte. Hervorragend die beiden Gitarren von Juan José Alba und Javier Ibáñez. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Rafel Riqueni: „Herencia“
Einen denkwürdigen Abend, an den man sich noch lange erinnern wird, schenkte uns der Maestro Rafael Riqueni um Mitternacht in der Bodega de los Apostoles.
Da müsste man eigentlich die Kameras auf die Zuschauer richten, wenn sie sich in schierer Verzückung und mit geschlossenen Augen diesem unglaublichen Genuss hingeben. Wenn diese rechte Hand mit den langen Fingern über die Saiten gleitet und diese zarten Tremolos fabriziert, sich aus höchster Höhe in die tiefsten Töne stürzt und dabei noch aussieht, als würde sie nur über ein Seidentuch streifen, dann erfüllt sich das Herz der Aficionados mit einem Glücksgefühl, das man nicht oft erlebt. Ob in der Soleá, der Sevillanas oder dem Fandango, niemand spielt so wie Riqueni. Da sind sich alle einig. Mein Freund der Rockmusiker, der ihn zum ersten mal hörte, war fassungslos – Was macht der da – und vor allem – wie macht er das – wollte er wissen, keine Ahnung, sagte ich und damit bin ich nicht allein.
Riqueni ist ein Maestro. Einer von den Echten. Seine Begleiter, Salvador Gutierrez und Manuel de la Luz, beide hervorragende Gitarristen verstärkten ihn in der zweiten Hälfte des Konzerts, nicht dass das notwendig gewesen wäre, aber auch sie sind sich bewusst, was für ein Luxus es ist, Riqueni in der Mitte zu haben. Wie gesagt: ein denkwürdiger Abend.
Antonio El Pipa: Estirpe
Teatro Villamarta, 22.02.2020
Rafael Riqueni: Herencia
Bodega de los Apostoles, 22.02.2020
Fotos: Javier Fergo