Antonio und Joaquín, Joaquín und Antonio

Was Soniquete bedeutet, wissen die meisten Aficionados, Soniquetazo ist sozusagen die Steigerung. Joaquín Grilo und Antonio Canales an einem Abend auf einer Bühne hebt das Publikum von den Sitzen und das mehr als einmal. Sie haben den Groove, jeder auf seine Weise. Da braucht es kein Drehbuch und kein Bühnenbild, Erklärungen sind überflüssig, Spaß haben durchaus erlaubt.

Antonio Canales hat seine besten Zeiten als Tänzer hinter sich, was die Technik betrifft. Nobody cares. Ich muss da immer an den Stierkämpfer Curro Romero denken, nur als Beispiel. Seine schlechten Kämpfe sind Legion und alle vergessen, aber die Momente, in denen sich sein Genie zeigte merkt man sich sein Leben lang. Nun, bei Antonio Canales ist es ähnlich. Und gestern war da wieder dieser eine Moment, diese ganz kleine Geste im richtigen Moment, dieses Olé aus Hundert Kehlen und schon stand das Theater Kopf. Die Vorstellung musste kurz unterbrochen werden und Antonio, ganz Diva, eilte von einem Bühnenrand zum anderen, die Hand auf dem Herzen, um die Huldigung entgegenzunehmen.

Canales

Er ist nicht nur Tänzer, sondern Künstler durch und durch. Seine Hemden, Blusen, Umhänge oder was auch immer er trägt sind so exzentrisch aber so schön, dass frau sie ihm am Liebsten vom Leib reißen würde, wer das als erster tun sollte ist übrigens Joaquín Grilo. Er war wie immer schlechtestens angezogen, Röhrenjeans in allen Farben und die Hemden zu kurz. Ob das eine Rolle spielt? Natürlich tut es das, aber gut. Joaquín Grilo ist immer noch einer der besten Bailaores, die der Flamenco zu bieten hat, eigenwillig, selbstverliebt und dickköpfig, aber so unglaublich gut! Diese Drehungen, dieses Springen über die Bühne, diese Zapateados, die ganz anders klingen, zeitgenössisch und modern aber mit dem Soniquete von Jerez.

Seine Schwester Carmen singt wie immer zu laut und zu heftig im falschen Moment und was die Kleidung angeht gilt für sie das gleiche wie für ihren Bruder. Hervorragende Gitarren von Paco Iglesias und Juan Requena, Experiment gelungen, würde ich sagen.

Teatro Villamarta, 25.2.2017

„Soniquetazo“

Joaquín Grilo y Antonio Canales

 

Mayte Martín: Al flamenco por testigo

Mayte Martín ist die Ausnahmeerscheinung im Cante. Nach Jerez kam sie in die Bodega de los Apostoles mit ihrem Flamencoprogramm „Al flamenco por testigo“. Seit ihren ersten CDs „Muy frágil“ und „Querencia“ bin ich ein Fan, nein, das ist das falsche Wort. Ich bin gefangen, unentrinnbar verloren. Und nicht nur ich. Und gestern geschah es wieder, dieser Zauber, den sie verbreitet, das ist ein Gefühl, wie wenn man auf ein großes Segelschiff steigt, das dich mitnimmt und wenn das Schiff in den Hafen einläuft willst du nicht aussteigen, aber du musst. Und du gehst nachhause, machst Türen und Fenster zu, willst mit dem Echo dieser Stimme noch ein wenig alleine sein und lässt niemanden rein.

Mayte

Schon bei ihrem ersten Lied, der „Rosa cautiva“ von Juanito Valderrama waren wir verloren:

Weine nicht, meine Rose,

Meine Gedanken sind gefangen, gefangen

in deiner Liebe

dem Maurenkönig schreib ich:

Nimm meinen tönenden Klang

als meinen Schatz

und gib mir die gefangene Rose.

Zwei Gitarren, die von Salvador Gutierrez und Pau Figueres und die Perkussion von Chico Fargas tragen sie auf einem fein gesponnenen Teppich durch die Stile, Fandangos und Soleá, exquisit, subtil, frágil, muy frágil aber souverän und erhaben lässt sie uns teilhaben an einem Moment der Schönheit. Amen.

Bodega González Byass, 25.2.2017

Mayte Martín

„Al flamenco por testigo“

Fotos: Javier Fergo