Festival de Jerez 2017: Eduardo Guerrero: Guerrero

Mejor imposible

Dass das schwer wird, war mir klar. Aber dass ich mich erst eine Stunde sammeln muss, bevor ich beginnen kann über den gestrigen Abend zu schreiben, hat mich doch überrascht. Wie ist etwas in Worte zu fassen, das über dich hinwegbraust wie eine riesige Woge, dich dann am Strand wieder ausspuckt, dich taumelnd zurücklässt und du dich schütteln musst um wieder in die Realität zurück zu finden? Nun genau das machte mit mir gestern Edu Guerrero, und nicht nur mit mir. Fran Pereira schreibt am Ende seiner Kritik im Diario de Jerez: „Guerrero ging als Sieger aus diesem Kampf hervor, das Theater Villamarta lag ihm zu Füssen und applaudierte, wie wir es in diesem Festival noch nicht erlebt haben.“ Es waren gefühlte zehn Minuten Standing Ovations und wir wären gerne noch länger geblieben in dieser Sternstunde der Tanzkunst.

Eduardo Guerrero ist sehr speziell, er ist ein Paradiesvogel, er hat einen unverwechselbaren Stil und ist einer jener Menschen, die anziehen können, was sie wollen, es sieht immer gut aus. Das tut Edu ja gerade nicht, es gibt schon Designer, die sich darum streiten, ihn einzukleiden, er ist sehr sophisticated, was seine Outfits betrifft, im Privaten wie auf der Bühne. Ich will hier nicht ins Detail gehen, es gibt ja genügend Fotos, aber wenn ich nur an diese Stiefel denke, „Oh my God…“.

Er hat den perfekten Körper für einen Tänzer, unendlich lange Beine und Arme und ein edles, schmales Gesicht mit diesen Maurenaugen, die alles zu wissen scheinen.

Er hat eine unnachahmliche Grazie, wenn er tanzt und eine noch größere Kraft, für seine Zapateados müsste man eigentlich ein neues Wort erfinden, so stark sind sie auch noch nach einer Stunde, wenn man schon meint, irgendwann müsste dieser Sturm doch nachlassen. Seine schwindelerregenden und komplexen Drehungen, seine Riesenschritte und Sprünge, er hat die Flügelspannweite eines Adlers und nichts was er macht ist gewöhnlich. Die Choreografien sind modern und mutig, er setzt sich keine Grenzen, weil er keine zu brauchen scheint. Er tanzt das Unmögliche.

Edu hat das was man „Buen gusto“ nennt, er ist stilsicher und hat einen guten Geschmack. Die drei Cantaoras aus Cádiz, Anabel Rivera, Sandra Zarzana und Samara Montañez sind nicht nur stimmlich ein Genuss, sie lassen sich auch vollkommen auf das Spiel mit dem Krieger ein, sind Mutter, Freundin und Geliebte, sie stellen sich dieser Urkraft entgegen und es sieht nicht so aus, als wären sie unterlegen. Offensichtlich vertrauen sie einander vollkommen und das macht die Geschichte auch erst glaubhaft.

Die Gitarren von Javier Ibáñez und Juan José Alba sind sensibel arrangiert und großartig in der Begleitung, sie bleiben im Hintergrund und sind dennoch enorm wichtig genauso wie das schöne Licht und die gute Tontechnik. Wie gesagt, „Guerrero“ ist ein Gesamtkunstwerk, das gesehen werden muss, wenn man den modernen Flamenco verstehen will. Demnächst gibt es hier ein ausführliches Interview mit Edu Guerrero.

Teatro Villamarta, 10.3.2017

„Guerrero“

Eduardo Guerrero

Fotos: Javier Fergo