Anlässlich der Dreharbeiten für die Flamencodoku im NZZ Format nahm sich Juan Manuel Fernández Montoya zwischen Soundcheck und Auftritt Zeit für ein Gespräch. Das Interview führte Sibylle Tiessen.
Du hast schon im Bauch deiner Mutter getanzt, oder?
Ja, das stimmt. Sie unterrichtete, probte und sie erzählte, dass ich, wenn sie dann mit der Probe fertig war, mich in ihrem Bauch zu bewegen begann, so als ob ich schon tanzen würde und sie hat ja bis zum letzten Moment getanzt, kurz bevor ich geboren wurde.
Erinnerst du dich noch an den ersten Moment, als du zu tanzen begonnen hast?
Nein, daran kann ich mich nicht erinnern, aber meine Familie sagt, dass ich tanzte, noch bevor ich gehen konnte, ich hob die Arme, ich spielte Kastagnetten und bewegte die Füßchen.
Meine erste Erinnerung ist die an unsere Tournee mit „Flamenco Puro“, mit meinem Großvater Farruco und den berühmtesten Künstlern der damaligen Zeit, da war ich 5 Jahre alt, ich kann mich natürlich nicht ganz genau erinnern, aber ja, doch, ich erinnere mich. Das war in den 80er Jahren, 87/88 und es war wirklich spektakulär, da war Farruco, Fernanda und Bernarda de Utrera, El Guito, Manuela Carrasco, meine Mutter, mein Vater „El Moreno“, meine Tante Pilar „La Faraona“, die Habichuelas an der Gitarre, el Boquerón, Chocolate, Angelita Vargas,…… und ich sah all diese Künstler, wie sie waren und wie sie lebten, wie sie tanzten und sangen und ich verliebte mich und als ich nach Sevilla zurückkam, sagte ich zu meinem Großvater, dass ich es wollte, dass ich tanzen wollte.
Hat er dich sehr geprägt?
Ja, aber nicht in seinem Stil, wenn du mich tanzen siehst ,wirst du merken, dass ich ganz anders tanze, aber er hatte eine eigene Philosophie, er sagte mir immer, dass es für einen Tänzer das wichtigste sei, eine eigene Persönlichkeit zu haben und dass dir nicht nur der Tanz wichtig sein darf, sondern auch der Gesang und die Gitarre, der Flamenco in seiner Gesamtheit.
Er sagte mir nie „Stell dich so hin oder so“, er gab mir Ratschläge und sagte, „Stell dir dieses oder jenes vor“, damit ich lernte, mich auf meine eigene Art zu bewegen, mit den Bildern, die er mir zeichnete.
Ich kopierte also nicht seinen Stil, sondern nahm seine Art auf, die Dinge zu sehen, seinen besonderen Tanzstil hat er mit sich genommen, als er ging, er war einer der großen Tänzer der Flamencogeschichte und die Menschen, die mit so einer starken Persönlichkeit geboren werden nehmen sie mit sich, wenn sie von uns gehen.
Welche Künstler inspirieren dich heute?
Oh sehr viele, es gibt viele junge Leute, die sehr gut tanzen, es gibt natürlich auch die anderen, die den Flamenco auf eine Art und Weise verkaufen, mit der ich nicht einverstanden bin. Unser Beruf ist sehr schwierig und in drei Tagen wird man nicht zum Star, das braucht viel Zeit, auch um die ganze, lange Geschichte des Flamencos zu kennen. Es gibt Leute, die viele Beziehungen haben, sie wissen, wie man sich verkauft und was gerade angesagt ist. Sie tanzen Contemporary zum Flamencorhythmus, sie stellen sich mit ein paar Flamencos auf die Bühne und glauben, das reicht.
Ich maße mir natürlich nicht an zu sagen, das ist Flamenco und das nicht, aber ich kann dir sagen, mit wem ich mich identifiziere und mit wem nicht. Ich will keine Namen nennen, weil manchmal, wenn ich das tue, vergesse ich dann jemanden, der mir gefällt und die denken dann, dass ich sie nicht gut finde. Außerdem respektiere ich alle, die das Talent und den Mut haben, sich auf die Bühne zu stellen.
Wie siehst du die Rolle der Gitanos im Flamenco?
Wir dürfen nicht vergessen, dass die andalusischen Gitanos eine der wichtigsten Rollen in der Geschichte des Flamencos gespielt haben, womit ich nicht sagen will, dass wir es besser können. Nein, aber sie haben den Flamenco nach Andalusien gebracht und von dort hat er sich über die ganze Welt ausgebreitet. Wenn ich Blues singen möchte, will ich doch auch über die Geschichte Bescheid wissen und wer die ersten Interpreten waren, sonst gehen mir die wichtigsten Kapitel der Geschichte verloren.
Welche Werte sind im Flamenco wichtig?
Die gleichen wie in jeder anderen Kunstform: Ehrlichkeit, Respekt und Wissen. Der Flamenco kann dich natürlich auch berühren, wenn du keine Ahnung hast und ich finde es schön, wenn die Leute sagen, dass sie weinen müssen, wenn sie Flamenco hören, aber wenn du ihn verstehst, berührt er dich viel mehr.
Aber vor allem muss man ehrlich sein, seinen Überzeugungen treu bleiben und nicht der Mode folgen. Du musst zeigen, wer du bist und keine Rolle interpretieren, der Ursprung des Flamencos ist die Wahrheit, er ist ein Ausdruck der Seele.
Wie erklärst du dir deinen Erfolg?
Ich kann dir nur sagen, dass ich total in meinem Beruf aufgehe, ich lebe in meinen Projekten und widme ihnen alle Zeit, die ich habe. Das geht so weit, dass meine Familie mich vermisst, obwohl ich zuhause bin.
Ich bin auch sehr beständig, ich sehe zu, dass ich auf dem Laufenden bleibe und ich versuche bescheiden zu bleiben, weil sich das Leben ja von einem auf den anderen Tag ändern kann. Ich versuche mit allen Leuten auszukommen und sie gut zu behandeln, die Künstler aber auch die Leute vom Theater, damit sie gerne mit mir arbeiten. Das wichtigste ist doch, dass die Vorstellung gelingt und dafür muss man versuchen die Probleme zu lösen, darüber reden. Ich bemühe mich auch immer, dass alles passt, das Licht, der Ton und ich schaue, dass eine gute Stimmung herrscht. Ich versuche, entspannt zu bleiben und ich lache auch sehr gerne, ja, das Lachen ist sehr wichtig oder das Lächeln, damit man dem letzten Moment vor der Vorstellung die Spannung nimmt.
Du stehst ja meistens mit deiner Familie oder Freunden auf der Bühne, oder?
Ja, heute mit meinem Cousin Polito, aber auch oft mit meinen Brüdern Farru und El Carpeta, oder mit meinem Freund Román Vicente, mit Mari Vizarraga, Antonio Villar, Pepe de Pura oder Encarnita Anillo, die gehören fast zur Familie, weil wir schon viele Jahre zusammen auftreten. Ich arbeite immer mit den gleichen Leuten, schon seit ich klein war, erstens weil sie mich verstehen und mich unterstützen und zweitens, weil sie mich immer wieder motivieren und berühren, ich glaube an sie und auch wenn sie für andere nicht die Besten sind, für mich sind sie es. Sie holen etwas aus mir heraus, weil sie mich kennen und mit mir gelebt haben und wissen, worauf ich hinaus will.
Wer waren deine großen Vorbilder?
Mein Großvater Farruco, Michael Jackson und Bruce Lee. Ich weiß nicht genau warum, aber sie haben für mich etwas gemeinsam. In meinem alten Tanzstudio hatte ich ein Foto von jedem von ihnen hängen und da machten sie alle drei die gleiche Bewegung. Ein Luftsprung, bei dem sie hinten die Beine kreuzen und es war bei allen gleich, obwohl sie nichts miteinander zu tun hatten. Schon gar nicht Bruce Lee, der ja eine Kampfsportart ausübte, aber für mich hatten sie eine gemeinsame Philosophie und die Menschen, die mich kennen, wissen, wie wichtig sie für mich waren.
Michael Jackson sieht man, finde ich.
Danke, was für ein Riesenkompliment!
Fotos: Fidel Meneses