Enric Monfort ist Perkussionist. Er spielt das Schlagzeug, das Vibraphon und die Kuhglocken, auf den Schuhsohlen von Vanesa Aibar oder auf der Tischplatte. Er hat mit allen Arten von Musik gearbeitet, von klassischer bis zeitgenössischer Musik, im Theater, in Tanzprojekten und beim Film. Gleichzeitig macht er auch seine eigenen Projekte. Nach der umjubelten Weltpremiere von ‘La Reina del Metal’ mit Vanesa Aibar beim Flamencofestival in Amsterdam traf ich ihn im Muziekgebouw zum Interview.
Erzähl uns doch ein wenig über dich und über dieses großartige Projekt, bei dem ihr etwas ganz Neues im Flamenco ausprobiert habt.
Ich stamme aus Castellón, lebe aber in Amsterdam. Ich habe Perkussion und Komposition am Konservatorium in Spanien studiert, ging dann nach Amsterdam um mein Studium fortzusetzen und bin da geblieben. Zwischendurch war ich eine Zeit lang in Madrid, bin dann aber der Arbeit wegen nach Amsterdam zurückgekehrt.
Ich arbeite viel mit Tanz und die Präsenz der Musik auf der Bühne war mir schon immer sehr wichtig, aber auch kreativ zu arbeiten und eigene Stücke zu komponieren. Ein Stück, an das ich mich gerne erinnere und das auch meinen ersten Kontakt mit dem Flamenco darstellte, war ‘A la Tierra’, ein Stück für sechs Perkussionisten mit Antonio Canales, Jorge Pardo y Eva Durán.
Es war ein großartiges Stück, be idem ich auch viel lernte. Leider kam dann die große Krise und es blieb bei vier oder fünf Vorstellungen, weil wir fünfzehn Leute auf der Bühne waren und das konnte sich dann niemand mehr leisten.
Ich habe dich zum ersten mal bei diesem genialen Stück mit dem unaussprechlichen Namen mit Eduardo Guerrero in Ljubljana gesehen.
Ja, das stimmt, mit dem Slagwerk Den Haag, aber da war ich nur Perkussionist, mit dem kreativen Teil hatte ich da nichts zu tun.
Da wusstest du aber doch schon einiges über Flamenco, oder?
Na ja, ein wenig schon, von dem Projekt mit Antonio Canales, mehr gelernt habe ich dann aber erst bei einer Tournee mit dem Ensemble Residencias aus Madrid mit der Musik von Mauricio Sotelo. Da war auch Arcángel dabei und der hat mir am Abend dann immer vorgesungen und mir den Compás genauer erklärt und auch wann der Sänger einsetzt und so weiter. Danach habe ich mich intensiver mit dem Flamenco beschäftigt um ihn besser zu verstehen.
In Ljubljana hast du dann ja auch Vanesa Aibar kennengelernt
Das stimmt. Die Idee zu ‘La Reina del Metal’ kam von ihr und sie rief mich an um die Musik zu einem kleinen Stückchen zu komponieren. Das war mitten im Lockdown und wir arbeiteten online, bis der Anruf von Ernestina van de Noort kam, die uns bat das Stück in ihrem Online Festival 2020 zu präsentieren. Es wurde in Spanien gefilmt und da haben wir uns dann das erste mal auf der Bühne getroffen.
La Reina del Metal’ ist ja inzwischen kräftig gewachsen und bei der Weltpremiere in Amsterdam überraschte vor allem dieser unglaubliche Soundscape. Wie können wir uns das vorstellen?
Mit diesem 4D Sound system habe ich eine Welt entdeckt, die mich fasziniert:
Dabei werden bestimmte Klänge im Raum platziert, die im Voraus oder über Mikrofone aufgenommen werden können. Diese Klänge werden dann mit einer Software und einem Computer bearbeitet und im Grunde genommen dort platziert, wo man sie haben möchte, und man kann den Klang bewegen. Es ist, als wäre das Publikum mit auf der Bühne, es taucht sozusagen in den Klang ein. Der Klang kann von hinten kommen, das kann eine Stimme sein, die zu dir spricht, dann der Klang der Gitarre, der von vorne kommt, und eine andere Stimme, die dir ins Ohr flüstert, es ist ein bisschen wie im Kino, wenn der Zug vorbei fährt und es ist, als ob du im Bahnhof wärst, und zusammen mit dem Bild siehst du, wie sich der Klang bewegt. Du hörst aber auch die Bewegungen von Vanesa, der Sound ist genauso wichtig wie die Melodie oder der Rhythmus.
In Amsterdam saß ja das Publikum auf drei Seiten, funktioniert das auch, wenn das Publikum nur vor der Bühne sitzt?
Ja, klar! Wir haben auch eine Version für ein normales Theater, was man braucht, sind Lautsprecher hinter dem Publikum. Wir haben also eine Basisversion mit 12 Lautsprechern statt 32 und das sind Lautsprecher, die jedes Theater hat und das funktioniert sehr gut. Wir haben acht auf der Bühne und vier hinter dem Publikum und so können wir den Sound innerhalb der Bühne bewegen, aber dann wird er plötzlich auf das ganze Parkett ausgedehnt und umgibt das Publikum.
Das klingt sehr kompliziert, braucht es da viele Techniker?
Nein, überhaupt nicht. Das Team besteht aus Vanesa und mir, einem Tontechniker und einem Beleuchtungs- und Bühnenbildtechniker, und wenn das Theater die Beleuchtung am Vortag ein wenig vormontiert, kann es an einem Tag aufgebaut werden, es ist nichts super Kompliziertes. Da es sich hier in Amsterdam um ein Auditorium und nicht um ein Theater handelt, musste man die gesamte Beleuchtung anders einrichten, aber in einem Theater ist das sehr einfach.
Wie habt ihr euch das Stück dann erarbeitet?
Wir wollten beide etwas Ähnliches erzählen, es geht da hauptsächlich um Transformation, um Verwandlungen. Was den Flamenco betrifft, versuchte ich, mich in ihrem Tanz zu inspirieren. Vanesa ist sehr offen, wenn es um Musik geht, also war es für mich nicht besonders schwierig. Und von Anfang an war für mich der Klang im Raum sehr wichtig, ihre Bewegungen mit dem Klang zu synchronisieren, sodass der Sound sozusagen ihren Bewegungen folgt.
Ich wollte, dass das Publikum mit geschlossenen Augen Ihre Bewegung hören kann, wenn ich die Kuhglocken spielte, habe ich mir vorgestellt, dass sie wie eine Königin im Morgenmantel schreitet, mit ein Schweif aus Kuhglocken und Wolken aus Metall hinter ihr herlaufen. Wie sie den Klang mit ihrer Bewegung in Verbindung bringt und wie sie poetische Räume durch den Klang und seine Beziehung zu ihrem Körper verändert, das hat mich fasziniert.
Es gibt da ja auch visuell einen sehr schönen Moment, wenn sie die Farbe wechselt und in dieser violetten Tunika tanzt ..
In der Taranta, ja. Die Palos dienen als Inspiration, es gibt Momente, in denen sie klarer hörbar sind, aber die Farbe ist auch ein Signal der Veränderung, es gibt einen Moment, in dem sie sich zu drehen beginnt, wie die Derwische, die sich drehen, und durch das Drehen erreichen sie eine Ekstase, es ist ein Moment der Transformation.
Alle Szenen sind Versuche, sich zu verwandeln, um diesen höheren Ort zu erreichen. Es passiert auch drei Mal, dass sie zu Boden fällt, sie versucht dann aufzustehen, aber durch die Erschöpfung gelingt es ihr nicht und sie fällt wieder, aber wir machen weiter.
Das Stück ist zwar sehr modern, aber auch sehr flamenco, finde ich!
Es war sehr interessant, mit Vanesa zu arbeiten, weil sie eine sehr breite ästhetische Vision der Musik und des Konzepts hat, und sie ist auch auf der Suche danach, aus der Flamenco-Welt herauszukommen und trotzdem Flamenco zu machen. Ein Freund hat mir zum Beispiel gesagt, dass er sie in dieser Show am meisten als Flamenca gesehen hat. Und ich denke, dass es auch sein könnte, dass die Tatsache, dass ich nicht aus dem Flamenco komme, ihr irgendwie ermöglicht hat, andere Wege zu gehen und sich gleichzeitig mehr im Flamenco zu verankern, denn sie ist sehr flamenco in ihrer Bewegung. Vielleicht hat diese Arbeit sie befreit, ohne dass sie es gesucht hat.
Glaubst Du, dass der Flamenco gerade einen interessanten Moment erlebt?
Soweit ich das beurteilen kann, ja. Es gibt viele sehr spannende Ideen. Und es eröffnen sich viele verschiedene Wege. Es ist eine sehr abwechslungsreiche Kunstform, und das Schöne ist, dass die Tradition weiterbesteht. Der Flamenco hat ein großes Gewicht in der internationalen Kunst. Durch all diese Vielfalt und die verschiedenen Wege der Auseinandersetzung.
Und war sind deine nächsten Pläne?
Ich hab ja immer viel zu tun, ich werde an meiner Bibliothek der Geräusche und Klänge weiterarbeiten und an ein paar anderen Projekten, ich werde mich nicht langweilen.
Text: Susanne Zellinger
Titelfoto: Simono Giacomini
Foto 2,5: Günther Bauer
Foto 3,4: Eric van Nieuwland
Flamenco Biennale NL: https://flamencobiennale.nl/