Im Zuge unserer Dreharbeiten für die Flamencodoku von NZZ Format verbrachten wir einen Tag mit einem lebenden Mythos. José Suarez, Torombo ist mehr als ein Maestro, er unterrichtet das Leben und die Liebe. Er ist streng und aufmerksam, ihm entgeht nichts. Aufgewachsen zwischen Gitanos erlebte er in den 1980er Jahren die Höhen und die Tiefen der Kunst, befreundet mit den Größten wie Camarón oder Farruco, später selbst drogenabhängig und durch harte Arbeit dieser Hölle entkommen, widmet er sein Leben dem Unterricht für die Schwachen und Gekränkten, für Gitanokinder aus den Vororten und Häftlinge in den Gefängnissen, für Kinder mit Down Syndrom aber auch für „normale“ Flamencosüchtige aus allen Ländern der Welt.
In einer Garage der Talleres auf der Plaza del Pelícano hat er sein eigenes Reich errichtet, ein Wunderland, das er jedoch nicht eifersüchtig bewacht, sondern großzügig jedem öffnet. „Für mich ist es jetzt Zeit zu geben“, sagt er und das spürt man in jedem Augenblick. Bei 39° im Schatten gibt er uns einen ersten Einblick in sein Leben.
Pepe Ríos war mein erster Lehrer, der zweite war der Bruder von Ángelita Vargas, Changuito, der Vater von Potito, als ich klein war, war alles ganz anders, nicht so wie jetzt: Heute gibt es viele Schulen, das ist wie Flamenco-„Shopping“, damals waren wir Schüler „Discipulos“, wir lebten, schliefen und aßen mit unseren Maestros, unseren Lehrern, wir waren eine Familie. Heute ist das so: zum Unterricht rennen, eine Stunde vollgestopft mit Informationen und von einer Academia zur nächsten.
Das ist Farruco. Er hat mir den Namen „Torombo“ gegeben. Er hat niemanden unterrichtet. Aber mich hat er ausgesucht, als ich noch ganz klein war. Farruquito kam oft zu mir um Kaffee zu trinken, damit ich ihm Geschichten erzähle, die ich mit seinem Großvater erlebt habe. Als seine Mutter, La Farruca noch sehr jung war , und ihren zukünftigen Mann El Moreno, den Vater Farruquitos, kennenlernte, musste ich die Briefchen zwischen den beiden überbringen, weil Farruco sehr genau auf seine Töchter aufpasste.
Mein letzter Maestro war Mario Maya und jeder von ihnen gab mir einen Schlüssel zu einer anderen Tür, jeder unterrichtete seine Kunst, und ich gebe das weiter an die Kinder, die kleinen Gitanos, denn viele von ihnen haben eine Perle in ihrem Inneren, aber sie wissen es nicht, und ich helfe ihnen, sie zu entdecken. Sie haben viel Talent, aber auch das ist ihnen nicht bewusst, sie wissen auch nicht, woher es kommt.
Ich habe viele Jahre in den 3000 Viviendas gearbeitet, aber heute ist meine Arbeit hier, weil immer alle, Politiker und Sozialarbeiter alles dorthin tragen, Essen, Arbeit, Projekte, das heißt, die Kinder kommen dort nie heraus. Ich finde, man muss sie dort herausholen, da gibt es viele, die kennen nicht einmal Sevilla. Sie leben auf einer Insel. Meine Arbeit besteht darin, sie dort herauszuholen und ihre Eltern sagen: Gut, Torombo, nimm sie mit! Sie vertrauen mir. Und ich bringe sie hierher. Und ich mache eine Integration. Am Morgen mit Schülern aus Japan, aus Dänemark oder aus USA und ich schaffe interkulturelle Beziehungen mit den Gitanokindern, ich bringe sie alle zusammen.
Mich interessiert die Kunst, die sie in sich tragen ….. viele Ausländer kommen hierher und lassen alles hinter sich zurück aus Liebe zum Flamenco und ihre Familien halten sie für verrückt. Dann kommen sie hierher und treten in einen Clan ein, oft sind die Flamencos hier wie ein Clan und wenn sie dann hier das Soniquete hören mit den Palmas, dann ist das etwas ganz anderes als 7-8-9-10- und ich will, dass das organisch wird, dass es aus dem Herzen kommt und dass sie den Weg kennenlernen. Mit ihnen und mit den Kindern mache ich eine Reise vom Ursprung, von Afrika, mit der Perkussion, von Indien, von der Erde, der Ethnie, der Rasse, wir tanzen hier ohne Schuhe, wir hören den Klang der Trommeln, der Erde, den Klang des Herzens, und die Menschen, die hierher kommen aus den Ländern der Welt lernen, den Rhythmus des Herzens zu spüren und dann können sie beginnen zu tanzen. Das ist wichtig, sehr wichtig.
In allen Ländern kennt man den Schlag des Ambosses und das Geräusch klappernder Pferdehufe und so lehren wir sie den Gesang der Martinete, mit diesem Klang und so nähern sie sich dem Cante und der Kunst, egal, woher sie kommen.
Es reicht nicht sich das Flamencokleid anzuziehen, genauso wenig wie wir uns als Rastafari verkleiden können, können wir uns als Gitano verkleiden, aber wir können das Herz spüren und mit Respekt, Liebe und Zärtlichkeit wird uns die Kunst in ihre Arme schließen. Das ist ein Prozess, zuerst kommt die Erde, dann die Arbeit, zuerst musst du mit den nackten Füßen die Erde spüren und erst dann kommt der Zapateado.
Zuerst die Erde, die Menschen, das Dorf, die Kultur, das Einfache, dann kommt das Nichts, und dann erst erntest du die Früchte, dann kommen das Aroma und die Farben, der Geschmack und dann kannst du Danke sagen.
Heute werden in den Schulen und Academias Souvenirs verkauft, die Leute kommen für 2 Wochen und dann sind sie wieder weg und wir bereiten ihnen kleine Fläschchen vor, die sie mitnehmen können, aber das sollten wir nicht tun, man muss ihnen den Flamenco zeigen, die Erde, in der sie alles finden können .
Alles andere ist auch wichtig, jeder Unterricht, jeder Lehrer, aber die Menschen müssen wissen, dass alles der Einfluss der vielen Kulturen ist, die hier in Andalusien waren und ihre Spuren hinterlassen haben, viel ist von ihnen hier geblieben und dann kamen erst die Gitanos. Sie haben eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit an die Erde und an das Leben, sie sind wie die Schwarzen, ihre Philosophie ist die Musik, sie singen eigentlich immer, wenn sie weinen, wenn sie leiden, wenn sie sich freuen, sie singen und sie tanzen und ihre Interpretation des Flamenco ist einzigartig.
Sie lernen in der Familie, von ihren Eltern und sie leben ihre Werte und wenn sie tanzen, ist es die Wahrheit. Ihre Wahrheit.