Beim ersten „Hineinhören“ in das Debütalbum von Diego Villegas, Bajo de Guía, wurde ich etwas stutzig, erinnerte mich doch die Imitation der Gesangslinien der einzelnen Flamencostile mittels Flöte und Harmonika an jene west- und mitteleuropäischen Flamencogruppen, die diesen Weg in Ermangelung greifbarer Flamencosänger suchten. Doch verhält es sich bei Diego Villegas natürlich völlig anders…
Aufgewachsen in einem „ambiente flamenco“
Der Multiinstrumentalist, der neben dem Saxophon und der Klarinette auch die Querflöte und die chromatische Harmonika spielt (abgesehen von seinen Studien der Gitarre, zu hören auch in der ersten und mit dem Album gleichlautenden Nummer, einer Mirabrás aus der Familie der Cantiñas) ist 1987 in Sanlucar de Barrameda geboren und in einem „ambiente flamenco“ aufgewachsen. Seine Schwester ist Tänzerin, seine Freundin ebenfalls.
Begeisterung für Cante Jondo
In neun palos flamencos, angefangen von dieser Mirabrás, über Fandangos, Soleá, Tangos, Bulerías und Rumbas gelingt es ihm, den Gesang der verschiedensten an dieser CD beteiligten Sängerinnen und Sänger wie Juan Debel, Laura Vital, aber auch den Chor von Sanlucar mit seinen diversen Blasinstrumenten kunstvoll zu verweben, ist er doch auch in diversen Flamencoensembles an der Begleitung von Gesang und Tanz maßgeblich beteiligt. Insbesondere die schon angeführte erste Nummer dieses Albums ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Und natürlich ist es ein nicht ganz leichter Schritt, moderne Flamenco-Begleitinstrumente wie eben Blasinstrumente zum Mittelpunkt einer Flamenco-CD zu machen. Seine Begeisterung und seine Sensibilität für den Cante Jondo erleichtern dieses Projekt jedoch und verleihen seinem Saxophon, seiner Querflöte und seiner Harmonika das so genannte „Timbre Flamenco“.
Die Nummern im Detail
Während die erste Nummer, eingeleitet von einem Gedicht von Jose Luis Ortiz Nuevo, und der darauffolgende Fandango mit Querflöte und Harmonika die stilistischen Flamenco-Gesangslinien deutlich aufnehmen, trägt der Tanguillo Calle Bretones jazzigere Züge, die darauffolgende Soleá ist erst nach längerer Zeit in ihrem Stil erkennbar, hat zu Beginn durch die parallel geführten Blasinstrument-Stimmen Villegas sogar einen gewissen Big Band Charakter. Die darauffolgende Bulería greift das bekannte Thema von La Tara auf, lässt anschließend aber auch karibisches Flair einfließen, die stärkere Akzentuierung des 6/8 Momentes der Bulería, die sich allgemein immer stärker einbürgert, macht sie für Cross-Over Nummern leichter verwendbar, wie auch die abschließende Bulería Mi Torerita beweist. Hier wirkt unter anderem Jorge Pardo, Vorbild von Villegas und langjähriges Mitglied der Begleitgruppe von Paco de Lucía mit.
Der starke „Latin-Einfluss“ äußert sich auch in der Rumba-Patanemo und einem Tangos-Vidalita.
Eine CD, die, wie Villegas selbst, sich zwischen Flamenco und (Latin)Jazz, aber mit doch stärkerem Hang zu ersterer Musik positioniert und viele Mitwirkende hat, auch mehrere bekannte Gitarristen, unter anderem Manuel Valencia. Und eine CD, die mir mit jedem neuerlichen Anhören immer besser gefällt, für mich ein untrügliches Zeichen von Qualität!
(2016, d.L.: B3236, erhältlich unter anderem bei www.deflamenco.com)