Accademia del Piacere, Fahmi Alqhai / Arcangel, Las Idas y las Vueltas, Músicas Mestizas
Das international hoch geschätzte spanische Ensemble für alte Musik, insbesondere für spanische Barockmusik, Accademia del Piacere, unter der Leitung von Fahmi Alqhai, geht im 2012 in Sevilla aufgenommenen Album eine fruchtbare Symbiose mit spanischem Flamenco ein. Symbiose deswegen, weil sich nicht einfach Werke spanischer, alter Musik mit Flamenconummern abwechseln, sondern die verschiedenen Stile in rhythmisch-melodischer Weise in gemeinsam arrangierten Stücken ineinander verschränkt sind.
Dabei gilt es festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um eine willkürliche Verschmelzung zweier Musikrichtungen handelt, sondern dass insbesondere Musizierpraxis und Selbstverständnis gerade von Barockmusik und Flamencomusik in ihren Ursprüngen einiges gemeinsam haben. So sind beide Musikformen, so entfernt sie auch voneinander klingen mögen, eine Art Variationsmusik, was bedeutet, dass das bereits existierende musikalische Material in immer wieder anders gearteten Kombinationen verwendet und abgewandelt wird und Fragen der musikalischen Urheberschaft ursprünglich nicht relevant sind. Dabei sind Formen der Improvisation eher im Bereich von Neuschöpfungen auf Basis dieser Variationstradition angesiedelt, Improvisation hat seine etymologischen Verwandtschaft ja auch in dem englischen Wort „to improve“, was als Ausdruck ja mehr einer Verbesserung als einer Neuschöpfung nahekommt. Eine weitere Parallele liegt in der ursprünglich zweckgebundenen Aufführungspraxis, hier eine „Juerga“ im engen Kreis, dort eine Messe zu einem ganz bestimmten Anlass.
Nun, eine geeignetere Stimme als die helle Stimme des bekannten Flamencosängers Arcangel gibt es wohl nicht, um mit der Gitarre des ebenfalls in Kennerkreisen hoch geschätzten Gitarristen Miguel Angel Cortés an diesem Projekt teilzuhaben und sich mit der Stimme der Sopranistin Mariví Blasco in den verschiedenen Nummern abzuwechseln.
Eine kurze Toná, die sich, vom Läuten der Glocken unterbrochen, in verschiedenen Echos wiederfindet, geht über in La Spagna, ein Stück des Renaissancekomponisten Heinrich Isaac, um in der Folge mit den sich abwechselnden Stimmen von Blasco und Arcangel ein Lied des spanischen Renaissancekomponisten Luis de Narváez wiederzugeben, in der Mitte verknüpft mit einer Granaina, gesungen natürlich ebenfalls von Arcángel.
Das bekannte, auch von Federico Llorca verwendete Gedicht, Las morillas de Jaen, ist hier in einer Kombination von 3/4 Takt und Bulerías zu hören, dem ja auch der 3er Rhythmus zugrunde liegt. Neben mit Barockinstrumentarium mitgestalteten Jaleos finden sich unter anderem eine Siguiriya als ebenfalls gelungene musikalische Verschmelzung sowie das bekannte spanische Barock-Variationswerk Folias auf der CD, eingeleitet von Tarantos. Abgerundet wird das Album von Xácara (Foliavariante) und Bulerías-Kombinationen, sowie einer graziösen Zusammenstellung einer Guaracha, einem kubanischen Tanzlied des 18. Jahrhunderts, mit einer Guajira, cante de ida y vuelta, mit ebenfalls kubanischem Ursprung. Für mich nicht nur purer Hörgenuss, sondern auch in Arrangement und Auswahl eine höchst gelungene Aufnahme mit beigelegter DVD als Konzertmitschnitt!
(Label: Alquhai&Alquhai)