Bei gefühlten 50 Grad kam ich gestern in Lebrija an zur 56 (!) Caracolá de Lebrija. Aber ich war dennoch guten Mutes, erwartete mich doch einer der Cantaores, den ich seit Jahren bewundere. José Valencia ist, abgesehen von seiner mächtigen, wunderbaren Stimme, ein mutiger Mann, der sich immer wieder aus seiner Komfortecke heraus bewegt, eine Tatsache, die im Cante, der sich nur peu à peu aus der Tradition in neue Gefielde wagt, umso bemerkenswerter ist. Neue Texte, neue Melodien, neue Instrumentierung, neue Klangwelten, etwas, an das sich das in das gewohnte Spektrum des Cante Flamenco erst gewöhnen muss und dabei geht es in diesem Fall nicht um das Repertoire. Bulerías, Alegrías, Soleá, Seguiriya und eine großartige Farruca, es war alles da, aber in neuen Arrangements, die durchaus eine Herausforderung dar stellten.
Gebremst durch die Pandemie war es die erste Aufführung von „Beshavel“ nach der Premiere 2018 bei der Bienal de Sevilla und es fehlte in Lebrija das Akkordeon – leider- und der Tanz – entbehrlich-, denn es war vor allem die Musik, die im Vordergrund stand.
„¡Viva la música“, tönte es mehr als einmal aus dem Publikum und das traf es ziemlich auf den Punkt. Viel mehr als ein Recital war es ein Konzert mit vier Streichern, der Gitarre von Juan Requena, der auch für die Arrangements verantwortlich war, Perkussion und zwei Palmeros.
Inspiriert vor allem von Texten der Gitanos aus den verschiedensten Ländern ging es hier auch um die ethnische Komponente, besonders bewegend ein Lied des jugoslawischen Dichters Rajko Yurik in romanés, „Die Blume des Todes“, das durchaus mit „Ederlezi“ aus „Time of the gypsies“ mithalten kann. Hier kommt dann auch die interpretatorische Fähigkeit de José Valencia zum Tragen, wenn er sich zurücknimmt und sich eine gewisse Melancholie erlaubt.
Das Theater war voll besetzt und die Begeisterung ungebremst, mit Standing Ovations verabschiedete das Publikum einen der ganz großen Cantaores der heutigen Zeit.
José Valencia: Beshavel
Teatro Juan Bernabeu, Lebrija
10. Juli 2021
https://www.lacaracolalebrijana.es
Fotos und Text: Susanne Zellinger