Bienal de Sevilla: Patricia Guerrero – „Deliranza“

Patricia Guerrero (Granada 1990)

Premio Nacional de Danza 2021 en la categoría de intérprete.

Die entscheidende Frage ist: Wo fang ich an? Wo durchschneide ich die Kordel, die das Delirium verbindet? Wie dringe ich ein in diesen Rausch? Wo finde ich die, die ich eigentlich suche? Wer hat die Sonnenseite von Patricia Guerrero in dunkles Licht getaucht? Wer hat ihr eingeredet, dass die Welt ein dunkles Jammertal ist, in der uns Geister jagen? Wer ist Óscar A. Rifberg? Wer schreibt eigentlich diese unsäglichen Synopsen? Ist ‚onírico’ das neue Modewort für die weibliche Welt des Flamencotanzes? Ein Traum, in den wir uns flüchten müssen um die Wirklichkeit zu ertragen? Wie groß ist unsere Erschöpfung? Biegen wir uns die Wahrheit mit Lügen zurecht? „Lügen sind Lügen, aber alles hat seine Zeit, um geglaubt zu werden“, schrieb schon der kürzlich verstorbene Javier Marías. Komme ich der Sache näher? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

„Deliranza“ ist ein zeitgenössisches Tanzstück und wäre es nicht im Flamenco verankert würde man sich gar nicht so viele Gedanken machen, aber so ist die Irritation unumgänglich. Patricia Guerrero ist eines der ganz großen Talente der jüngeren Generation über deren tänzerische Qualitäten kein Urteil gefällt werden muss, obwohl ihre Tanzsprache sich so verändert hat, dass ich mich frage, woher das kommt: diese geballten Fäuste, diese aggressive Bewegung des Körpers, die Wiederholung der sinnbefreiten Gesten, der zu Boden gerichtete Blick, das gekünstelte Lächeln und die gespielte Freude, all das ermüdet und enttäuscht ein wenig.

Die sieben TänzerInnen sind hervorragend, genauso wie die Gruppenchoreografien, auch wenn die Idee dahinter manchmal die Ausführung bremst, auch der Rhythmus stimmt, obwohl am Ende 10 Minuten überflüssig sind – und so ist Deliranza geprägt von „Ja eh, aber …..“. Die Musiker sitzen abgehoben im Hintergrund, was hier absolut stimmig ist, aber das jazzige Klavierspiel nervt und ist zu laut, der Cante schön, Dani de Morón kommt nicht zur Geltung und Diassera dumpft vor sich hin- falls es diese Verbum gibt.

Gehört „Deliranza“ auf die große Bühne? Aber selbstverständlich! Darf man dieses Tanzdelirium lieben? Aber natürlich! Ist es erlaubt zu zweifeln? Na klar!

Patricia Guerrero: „Deliranza“

Teatro Maestranza

14.09.2022

www.bienal.com

Text: Susanne Zellinger

Fotos: Claudia Ruiz Caro