Bienal de Sevilla: Manuel Liñán

Das Wort, das in den Kritiken für Manuel Liñán seit ¡VIVA! am häufigsten vorkommt ist apoteósico, die Entsprechung dafür in meiner Übersetzungsmaschine ist apothekenpflichtig und das trifft es in diesem Moment gar nicht so schlecht.

Um die entfesselte Begeisterung des Publikums im Teatro Maestranza zu verstehen brauche ich wahrscheinlich definitiv einen guten Hausarzt. Schon das Thema ist von Liñán ausreichend bedient worden aber bitte, hier geht es um seine persönliche Befindlichkeit und anscheinend gibt es hier noch einige Defizite. Warum es aber mit soviel Schmalz abgehandelt werden muss ist mir schleierhaft, aber ich bin ja nicht mit der Copla aufgewachsen und daher fehlt mir auch die Romantik für die pathetischen Interpretationen von Mara Rey.

Archivo Fotogr‡fico La Bienal de Flamenco. Espect‡culo Muerta de amor, teatro La Maestranza, Sevilla, 15 Septiembre, 2024. Foto: @Laura Le—n

Die Musiker*innen sind großartig, allen voran Francisco Vinuesa, dieser wunderbare, unverwechselbare Gitarrist aus Málaga, die Tänzer jeder für sich interessant, die Choreografien abwechslungsreich und perfekt exekutiert. Es gibt Umarmungen, Küsse und Bezeugungen der Zuneigung, alles sehr eindrücklich und klar, aber ich weiß nicht, worüber sich die Leute so sehr freuen.

Zum Titel gab es keine Kommentare, auf deutsch ist es schwierig zu erklären, denn so zu lieben, dass man am liebsten sterben möchte, hat bei uns kein Geschlecht. Aber das ist ein eigenes Thema.

Zurück zum Stück:

Der einzige poetische Moment kam mit einer Sevillanas, deren Choreografie mit Sicherheit aus den Händen von José Maldonado stammt. Dafür brauche ich keine Bestätigung, so offensichtlich ist es. Ein rotes Band verbindet Liñán und Alberto Sellés, diesen sympthatischen, ehrlichen Tänzer, der dem Moment seine Schönheit verleiht. Mit verbundenen Augen folgt ihm Liñán in blindem Vertrauen und erinnerte mich an die Interpretation von Miguel Poveda von A Ciegas – No me quiten la ceguera, singt er da: Nehmt mir nicht die Binde von den Augen, ich will die Wahrheit nicht sehen. Lasst mir den Traum von der ewigen Liebe.

Herausragend war auch die Alegría, getanzt von Juan Tomás de la Molía vor den Augen seines Mentors, der schon zur vorherigen Generation gehört, trotz des geringen Altersunterschieds. Der Flamenco lebt schneller als wir, das ist klar. Juan Tomás hat die Perfektion von Liñán, er ist technisch brillant, hat aber viel mehr Charme und wirkt weniger angestrengt. Es macht Spaß ihm zuzusehen, und wie schon beim letzten Festival de Jerez wird seine Einlage mit Zwischenapplaus belohnt. Wie man einem so attraktiven Tänzer mittendrunter die Hose ausziehen kann und ihn für den Rest des Abends in Unterhosen stehen lässt ist mir unerklärlich. Schlechter Geschmack? Auf jeden Fall.

Archivo Fotogr‡fico La Bienal de Flamenco. Espect‡culo Muerta de Amor, teatro La Maestranza, Sevilla, 15 Septiembre, 2024. Foto: @Laura Le—n

Ob es notwendig war? Keinesfalls, denn ob Manuel Liñán sich für seine Soleá ein Kleidungsstück mehr oder weniger um den Bauch wickelt war nun wirklich bedeutungslos.

Im Gegenteil zum gestrigen Abend regte sich hier bei mir gar nichts. Alles war laut, plakativ und eigentlich ziemlich oberflächlich. An mir ging die Botschaft jedenfalls vorbei, falls es denn, abgesehen vom Offensichtlichen, eine gab. Vielleicht sollte ich tatsächlich zum Arzt gehen.

Was nach der Soleá kam, weiß ich jedenfalls nicht mehr, denn da hatte ich mein Büchlein schon geschlossen und beschlossen, ein Gläschen mit Freund*innen zu trinken und die Gegenwart von Cristina Hoyos und ihrem Mann zu genießen, in Erinnerung an alte Zeiten.

Bienal de Sevilla

Manuel Liñán: Muerta de Amor

Teatro Maestranza

15.09.2024

www.labienal.com

Fotos: Laura León

Text: Susanne Zellinger