Bienal de Sevilla: Baile Moreno de Farruquito

Es gibt kaum einen Künstler, dessen Premieren eine so große Erwartungshaltung hervorrufen wie die von Farruquito. Schon eine Stunde vor Beginn sammeln sich Menschen in der Bar neben dem Theater. Meinungen werden ausgetauscht, Anekdoten erzählt, dies und jenes behauptet und dementiert, alle haben etwas zu erzählen, haben ihn schon als Kind gekannt oder sind mit seinem Großvater bei einer Juerga gewesen. Fotos auf den Handys tauchen auf, Videos machen die Runde, die ersten Künstler erscheinen, El Choro, Diego Villegas, seine Mutter, La Farruca natürlich und, ein Raunen geht durch den Raum, sogar Tomatito ist gekommen.

Pünktlich um 20:30, der offiziellen Beginnzeit, brechen alle auf, die Vorstellungen bei der Bienal beginnen frühestens 15 Minuten später, wenn alle sich begrüßt und endlich im Teatro Maestranza Platz genommen haben.

„Baile Moreno“ ist eine Hommage an seinen Vater, Juan „El Moreno“, Cantaor, der während einer Tournee in Südamerika im Jahr 2001 auf der Bühne starb.

Die Vorstellung beginnt mit einer wunderschönen Nana, „Cierra los ojitos con la misma nana que mi padre me cantó“einem Wiegenlied, das sein Vater immer für ihn sang, als er noch klein war um ihn einzuschläfern, was ihm nicht gelang, denn Farruquito liebte seinen Gesang und statt zu schlafen, hörte er ihm zu. Farruquito erzählt die Geschichte seines Vaters von Anfang an, seine Jugend auf dem Lande, umgeben von Pferden und der Natur, sein Werben um Rosario Montoya, die Hochzeit und die Geburt des ersten Sohnes, verkörpert auf der Bühne von Juan El Moreno, dem erst vier Jahre alten Sohn Farruquitos.

Mit ihm auf der Bühne seine beiden Cousins, Polito und El Barullo – zum zweiten mal bei dieser Bienal und wieder hervorragend – Gema Moneo und Marina Valiente, der Cante wie immer exquisit, vor allem Pepe de Pura und Encarna Anillo, außerdem zwei Gitarren und ein Cello.

Im Publikum seine Frau und seine kleinen Zwillingstöchter, weiter hinten seine Mutter, La Farruca, die die Tränen nicht zurückhalten kann und zwischen Jaleos hemmungslos schluchzt.

Emocionante, bewegend, das Publikum leidet mit, als der Vater auf der Bühne zu Grabe getragen wird, es denkt an den kleinen Jungen, für den sich das Leben ab jenem Zeitpunkt verändern sollte.

Farruquitos kleiner Sohn, Juan, hat seinen ersten Bühnenauftritt, nicht beim Fin de fiesta sondern als Darsteller in einem Stück über das Leben seines Großvaters. Bestimmt wird in Kürze ein Video im Netz herumschwirren, schauen Sie es sich an, es lohnt sich. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass Farruquito ihn aus reiner Effekthascherei auf die Bühne holt. Die Geschichte seiner Familie geht weiter und das muss auch gezeigt werden, damit man daran glauben kann. Ich denke, dass wir in der heutigen Zeit genau diese Dinge brauchen, ein Märchen, das uns zu Tränen rührt, aber auch eines, das wahr ist.

Aber zurück zum Tänzer Farruquito, dem „Rey del baile gitano“. Nicht alles ist Kraft, Schnelligkeit oder geniale Zapateados. Rosalía Gómez zitiert in ihrer Kritik Manuel Molina, wenn er sagt: „Wenn du dir einen Porsche kaufen kannst, dann mach das, aber fahr nicht immer mit 300 km/h, denn dann kannst du die Blumen nicht sehen“. Farruquito erlaubt es uns, die Blumen zu sehen. In seinen Tangos, der Seguiriya und der Soleá. Er hat keine Eile, er hält inne und tanzt aus seinem Innersten, aus dem Erbe des großen Farruco, aber mit der Präsenz und der Technik eines Mannes aus seiner Generation und aus dem neuen Jahrhundert.

 

Farruquito tritt am 22.Oktober 2016 im Festspielhaus St.Pölten auf.