Das Plakat für die Bienal de Sevilla ist fertig und wurde heute in Sevilla präsentiert. Es stammt von Miquel Barceló, einem berühmten Künstler, der sich von was auch immer inspirieren ließ. Was ich sehe ist eine nackte Frau mit gespreizten Beinen, die wohl eine Tänzerin sein soll, eine Bailaora mit Sicherheit nicht, wage ich zu behaupten. Was dann?
Zwischen ihre Beine schlängelt sich der Trieb einer Pflanze wohin auch immer, was spielt das schon für eine Rolle? Die Inspiration des Künstlers ist heilig, sonst aber nichts.
Um den Körper herum gekritzelt die Namen von sieben Künstlern, Männern und zwei Sängerinnen, auch toll.
Die Kommentare dazu gehen von ¡Qué bonito! bis zu ¡Qué horror!, man wird darüber sprechen, aber vorsichtig, man will ja niemanden verärgern, vielleicht hat man es ja auch nicht verstanden, was noch schlimmer wäre.
Falls dies dennoch der Fall sein sollte, zur Erhellung – oder auch nicht – ein Kommentar, in einem anderen Zusammenhang zwar, aber durchaus treffend von Manuel Vicent in El País.
In der gesamten Kunstgeschichte war die Darstellung der menschlichen Figur die wichtigste Inspirationsquelle für Künstler, von der Höhlenmalerei über Phidias bis hin zu Picasso und so weiter. Aber seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wird der menschliche Körper in Fleisch und Blut von den neuesten Avantgarden in ihre Performances und Installationen als Fundstück in der Art von Duchamp einbezogen. In diesem Sackgassen-Labyrinth, in dem sich die Ästhetik bewegt, scheint alles erlaubt zu sein, solange der ursprüngliche Impuls der Kunst darin besteht, Überraschung oder Skandal hervorzurufen, aber gleichzeitig ist für den modernen Betrachter alles erlaubt, außer von nichts überrascht und skandalisiert zu werden. Das ist die Dialektik.
Die Körper nackter junger Frauen in blauer Farbe zu tränken, wie es Yves Klein tat, und sie als menschliche Pinsel zu benutzen, um sie auf dem Boden und an den Wänden der Galerie zu reiben, oder eine Reihe von Glaskästen zu schaffen, in denen sich die eigenen Exkremente des Künstlers befinden, die mit Gold überzogen sind, wie es Terence Koh tat – wer ist heute noch so dumm, sich angesichts solcher Albernheiten zu wundern?
Was gibt es in der Kunst noch zu sehen, von Manuel Vicent. El País
Bienal de Sevilla, 11. September bis 05. Oktober 2024