Es lebe das Streaming, denn so konnte ich gestern dabei sein, wenigstens vor dem Fernseher. Warum nicht alle Premieren dieser Bienal als Streaming angeboten werden ist uns in diesen Zeiten ein Rätsel. Der Leiter der Bienal wird noch Zeit haben, es zu bereuen, büssen werden es die KünstlerInnen, den wer bucht schon ein Stück ohne es vorher gesehen zu haben?
„Al Fondo Riela“
Im zweiten Teil ihrer Trilogie für Gitarre führt Rocío Molina die Zuschauer in eine dunkle Welt, dunkel aber nicht düster, in die Weite des Meeres, wenn die Nacht fällt. Sie ist ganz bei sich, ihre zögerlich, zweifelnde Hand führt ihre kleinen Finger an ihren Körper, sie fliegen die Konturen hinauf, streicheln, verweilen kurz und eilen dann weiter. Eduardo Trassierra macht einen kleinen musikalischen Ausflug in die Welt von „Alfonsina y el mar“, ein paar Töne nur, die dennoch die Weite, die Einsamkeit und die Verlorenheit der Tänzerin spüren lässt, in der Unendlichkeit des Universums, in der sich ihre Spur verliert.
In der darauf folgenden Farruca versteckt sie ihr Gesicht hinter einem großen Hut und beginnt zu tanzen, und wieder macht die Gitarre einen Ausflug, diesmal in den Marsch der „Amargura“ von Font de Anta, wieder nur ein paar Töne, unverwechselbar und unvergesslich.
Dann verschwimmt der dunkle Hintergrund und die Molina wird ganz groß, breitet beide Arme aus, die Hände zu Fäusten geballt, ganz kurz, aber hier lässt sie ihre geballte Energie erahnen, zu den Gitarren von Trassierra und Yerai Cortés.
Der Höhepunkt des Abends – so es einen gab – kündigt sich mit den ersten Takten der Soleá von Yerai Cortés an, er hat eine unglaubliche Gabe, den Kontakt zum Publikum herzustellen, genauso wie er mühelos sich wieder abwendet um seine Tänzerin zu empfangen.
Er zieht das Tempo an und je schneller er wird, umso langsamer wird Rocío Molina, ein großartiger Effekt, alles scheint aus ihrem tiefsten Inneren zu kommen, da ist nichts gemacht, gedacht, gewollt, es ist, wie es ist. Mit schwarzer Bata gleitet sie über die Bühne, sie scheint sich kaum zu bewegen und dann hebt sie den Arm und begegnet ihm. Sie sieht ihn und er sieht sie, ihr Gespräch ist fast hörbar, wunderschön. Ihre Escobilla ist zart, klassisch und man hofft, dass die Soleá niemals endet, aber dennoch, es wird dunkel und sie verklingt.
Im letzten Teil siegt dann doch die Farbe, in einer roten Ganzkörpermaske und mit Plateauschuhen blitzt ihr Humor auf, oder auch ein wenig Ironie, sie nimmt die Maske ab, wirft die Handschuhe in die Ecke und shaked sich in das, was wahrscheinlich der dritte Teil der Trilogie sein wird. Übrigens auch per Streaming zu sehen am 11. September um 21:00.
Text: Susanne Zellinger
Fotos: Claudia Ruiz Caro