Alexis Lefèvre im Interview, März 2015

Alexis ist der Geiger von UHF, Ultra High Flamenco, einer Formation aus vier exzellenten Musikern: José Quevedo „Bolita“ an der Gitarre, Pablo Martín-Caminero am Kontrabass, Paquito González an der Perkussion und eben Alexis. In Paris geboren ist der Weltenbürger mit den blauen Augen inzwischen fixer Bestandteil der spanischen Flamencoszene. Er ist der einzige Violinist, der so wirkt, als wäre er immer schon dabei gewesen. Er spielt für Vicente Amigo und Tomatito genau so wie für und mit Gerardo Nuñez. Sein größter Förderer war Paco Lira, Besitzer der Carbonería in Sevilla. Ihm widmet Alexis seine Komposition „Calle Levíes 18“als Dank für seine Unterstützung und Zuneigung. Ich traf Alexis Lefèvre in Amsterdam anlässlich der Flamencobiennale.

Woher kommst Du eigentlich, denn Spanier bist du ja offensichtlich nicht.

Ich wurde in Paris geboren, aber noch als Kind zog ich mit meiner Mutter nach Positano, einem wunderschönen Dorf in der Nähe von Neapel. Dort bin ich aufgewachsen und erst mit 18 Jahren ging ich von dort weg. Ich reiste nach Argentinien um Musik zu machen und Spanisch zu lernen.

Dein Instrument ist die Violine

Ja, ich habe mit 14 Jahren angefangen Geige zu studieren am Konservatorium von Neapel, also ziemlich spät eigentlich. Als ich dann nach Argentinien ging, gründete ich eine Gruppe, mit der ich argentinische Folklore machte, die ich liebe: Chacarera, Zamba, Walzer, wir spielten auf vielen Festivals und das war irgendwie auch meine Geburt als Musiker.

Wie bist du dann zum Flamenco gekommen?

Als Kind bin ich öfter mit meiner Mutter nach Spanien auf Urlaub gefahren, nach Cádiz und da hat mir irgend jemand ein Tape von Paco de Lucía geschenkt und als ich diese Gitarre hörte, bin ich ausgeflippt und von diesem Moment an hatte ich den Traum eines Tages nach Spanien zu gehen und mein Glück mit der Geige dort zu versuchen.

Ich kam also aus Argentinien zurück und blieb noch ein paar Jahre in Italien, aber eines Tages packte ich meine Koffer und fuhr nach Sevilla. Auf meiner Suche nach dem Flamenco ging ich eines Abends in die „Carbonería“, dessen Besitzer, Paco Lira, wie ein Vater für mich war. Du weißt ja, dass er vor einigen Tagen gestorben ist.

Ja, klar.

Ich kam also rein und da spielte ein Gitano Gitarre, ich setzte mich hin und er sagte „Hier, nimm“ und ich sagte „Nein, nein, ich spiele Geige“ und er ging nach oben, um eine Geige zu holen und wir begannen zu spielen. Ich improvisierte, ich hatte ja keine Ahnung. Die Leute waren begeistert und Paco Lira, der vom ersten Stock aus zuhörte, kam herunter um zu sehen, was da los war. Er blieb den ganzen Abend bei uns – meine Mutter und ihr Freund waren auch da – und lud uns auf alles ein, was wir wollten.

Dann fuhr ich wieder nach Italien zurück, für 2 Monate diesmal und als ich zurückkam führte mich mein erster Weg wieder in die Carbonería. Pacos Sohn erkannte mich wieder und er sagte „Los, komm mit, mein Vater möchte mit dir reden.“ Paco sagte mir, ich solle doch hierbleiben. Er bot mir sein Haus zum Wohnen an und so blieb ich und spielte jeden Abend. So hat alles angefangen. Ich spielte mit dem Gitarristen Carlos Heredia über ein Jahr lang jeden Abend. Ich hörte zu und spielte mit, wenn ich konnte, ich musste mich ja erst in die Rhythmik einfinden. Ich spielte nach meinem Instinkt und nach und nach begann ich die Sprachen des Flamenco zu verstehen und als ich die Carbonería verließ begannen die Künstler mich anzurufen. El Lebrijano, Tomatito, es war wie in einem Traum, ich inmitten von diesen Leuten.

Ich begann auf CDs zu spielen und irgendwann landete ich dann in Jerez bei Joaquín Grilo und der machte mich mit den drei anderen bekannt.

Wir spielten zusammen, das Feeling war von Anfang an gut und wir waren uns einig, dass wir irgend wann eine Gruppe gründen sollten. Eines Tages bot man uns dann einen Gig in Finnland an, wir fuhren hin und das war der Beginn von UHF.

Was ist euer musikalisches Konzept?

Bueno, jeder von uns ist wie er ist und kann mit seiner Musik kommen, ich habe zum Beispiel ein Thema und dann spielen wir damit und dazu, auf unsere Art eben…

Aber was ist die Basis?

Immer der Flamenco, zumindest rhythmisch, Pablo und ich kommen ja von einer anderen musikalischen Richtung, wir sind da wahrscheinlich offener, aber im Endeffekt holen uns die anderen beiden auf ihr Soniquete herunter, aber das passiert einfach, ganz natürlich, wir lassen das einfach laufen und bremsen uns nicht.

Hier in Holland arbeitet ihr ja mit einheimischen Musikern, funktioniert das ähnlich?

Ja, eigentlich schon, natürlich gibt es da ein paar musikalische Fixpunkte oder Richtlinien aber ansonsten kann sich jeder Musiker frei ausdrücken und spielen, was er fühlt. Das ist das schöne daran und da klingt es dann manchmal auch jazzig, aber das macht nichts.

Es gibt ja auch Veranstaltungen, wo das gar nicht so schlecht ist, wenn man das offen lässt, oder?

Auf jeden Fall. Bola ist der, der am meisten Flamenco ist, aber wir anderen drei…

Woher kommt denn eigentlich der Name?

Keine Ahnung, da musst du Pablo fragen.

Du spielst ja nicht nur mit den Ultra High, nicht wahr?

Nein, vor kurzem habe ich mit Vicente Amigo gespielt und mit Marina Heredia oder bei der letzten Bienal in Sevilla mit Lebrijano.

Die Geige gibt es ja noch nicht so lang im Flamenco

Als ich nach Sevilla kam, gab es gerade mal Parrilla, aber sonst nichts, das ich wüsste. Heutzutage interessieren sich immer mehr junge Musiker, auch weil es etwas Neues ist, das man noch entwickeln kann.

Als ich kam gab es keinen Unterricht oder so, ich setzte mich hin, hörte zu und so lernte ich. Seitdem habe ich unendlich viel gelernt. Ich spiele ja auch mit den Pianisten wie Diego Amador oder Dorantes.

Fühlst du dich dem Flamenco näher oder dem Jazz?

Ich spiele nach dem Gehör und habe keine genaue musikalische Sprache, ich bin ja völlig unakademisch, ich bin einfach beim Flamenco gelandet und das war’s.

Erzähl mir ein wenig von Paco Lira, er hat ja eine große Rolle in der Entwicklung vieler Flamencos gespielt.

Paco Lira war ein unglaublicher Mensch, er hat so vielen Künstlern geholfen, er war so besonders, so großzügig, nicht nur zu mir, sondern zu allen, ich habe das oft gesehen. Er hat mich aufgenommen in sein Haus, er gab mir Arbeit, eine Familie, an seiner Seite verbrachte ich so viele Nächte in denen er mir von früher erzählte. Er nahm mich mit nach Utrera und Lebrija, er hatte ja eine unglaubliche Energie und wenn wir Jungen anfingen zu gähnen bei einer der viele Fiestas, war er immer noch frisch und munter.

Wann war das noch mal?

1999 glaube ich, als ich dann fix in Spanien blieb, da war die Carbonería noch ein Ort, an dem Dinge passierten und entstanden, da gab Concha Vargas noch Unterricht, sie saß auf dem Stuhl mit der brennenden Zigarette in der Hand, diese Zeit hat sich mir tief eingeprägt, Paco Lira ist so etwas wie mein Flamencovater. Er vertraute mir vom ersten Moment an, und ich war doch sehr schüchtern. Er sagte, setz dich hin, hör zu und mach, was du fühlst, er gab mir Sicherheit.

Diese Menschen sind heute selten geworden

Ja, leider, aber ich weiß auch nicht genau warum und es tut mir leid für die Jungen. Carlos Heredia zum Beispiel, der Gitarrist, mit dem ich in der Carbonería spielte, er nahm mich mit nach hause in die 3000 Viviendas und lud mich zum Essen ein und plötzlich stand dann dieses kleine Mädchen auf und tanzte Bulería, da war soviel Freude und eine gute Energie. Mit Carlos gab es Nächte, wo wir nach dem Spielen die Hand nicht mehr heben konnten, das war reines Adrenalin , das war reine Leidenschaft und niemand dachte darüber nach….

Du hast wenigstens was, das du deinen Kindern erzählen kannst

Oh ja, ich hab vor 2 Monaten einen Sohn bekommen und ich bin sehr glücklich darüber. Man hat ja keine Ahnung, was man für so ein Kind empfinden kann, ob er flamenco wird, ich glaube schon, er hat ja schon im Bauch zugehört und wenn ich ihn einschläfere, spiel ich Musik und ich tanze mit ihm in den Armen und er entspannt sich und schläft ein und wenn er dann schläft spiele ich ihm was auf der Geige vor…