Seit neun Jahren gibt es in der dritten Augustwoche im Süden Frankreichs ein Festival, das inzwischen einen wichtigen Platz in der europäischen Festivallandschaft einnimmt. Unsere Frankreichkorrespondentin Dolores Triviño war dabei.

In Rivesaltes steht das gemeinsame Erleben im Mittelpunkt

Vier der sechs großen Abendveranstaltungen fanden im „Dômes“, dem Theater von Rivesaltes statt, eine war dem Cante gewidmet, unter dem Baum der Freiheit auf dem Dorfplatz und dieses Jahr brachte der Sänger El Galli mit dem Gitarristen Curro de María die Blätter der riesigen Platane zum rauschen. Am Mittwoch versammelten sich alle Kursteilnehmer zum größten Tablao der Welt, ein Moment des Zusammenseins von Schülern, Lehrern und Künstlern, ein bewegender Moment für alle und wenn, so wie in diesem Jahr, das Wetter nicht mitspielt trifft man sich später in der Peña zu einer Juerga, unentbehrlich für alle Aficionados.

Der menschliche Aspekt ist eine der Stärken dieses Festivals: die Künstler leben, schlafen und essen mit allen zusammen, die Landwirtschaftsschule wird zum „Palais du Festival“, aus allen Ecken dringt die Luft Andalusiens. Die Flamencos sind überwältigt vom herzlichen Empfang, der ihnen bereitet wird, die Schüler glücklich über die Nähe zu ihren Idolen und alle von der Süße des Lebens am Ende des Sommers, der Strand liegt nebenen, zur spanischen Grenze ist es nur eine halbe Stunde. Und der Muskatwein aus Rivesaltes hat schon mehr als einen eingefleischten Fino Trinker zumr Umkehr bewogen.

Ein hervorragendes Programm

Zur Eröffnung zeigt Alba Heredia, Gewinnerin des Desplante in La Unión, dass Flamenco authentisch und zugleich aktuell sein kann. Von skulpturaler Schönheit und mit schauspielerischem Talent gesegnet, gibt sie sich hin, fast besessen in ihrer präkolombinischen Maske, gequält, gepeinigt, maßlos und wild. Granada pur.

Foto: Nathalie Groux

Am Donnerstag präsentieren Andrés Peña und Pilar Ogalla ihr preisgekröntes Stück „Sepia y Oro“ zum ersten mal außerhalb Spaniens. Ein wunderschönes Stück, in dem außer den beiden Protagonisten auch die Musiker wie Gold glänzen: El Cabeza an der Gitarre, vier hervorragende Sänger, eine gute Umsetzung und erstklassige Lichtregie schaffen ein Gesamtkunstwerk und einen Fächer aus purem Gefühl.

Foto: Natalie Goux

La Lupi zeigte wieder einmal, dass ihr Ideenvorrat unerschöpflich ist, einerseits mächtige Matrone, andererseits feinsinnige Tänzerin mit schelmischen Anklängen erforscht sie in ihrem Stück „Mudanza“ das ganze Wortfeld des „Umzugs“, von der schmerzhaften Häutung über fröhliche Abenteuer bis zur angsterfüllten Entwurzelung. Ihre Weggefährten sind perfekt und die Vorstellung endete in großem Jubel.

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An drei Abenden finden sich nach der Hauptvorstellung am Vorplatz der Schule noch Möglichkeiten für die jungen Talente, den erfahrenen Zuschauern ihre Stücke bei freiem Eintritt zu präsentieren. Hier überraschte vor allem die junge Pianistin Mélodie Gimard mit ihrem Stück „Numen“, eine Mischung aus Eigenkompositionen, klassischem Flamenco und zeitgenössischer Musik. Sie beherrscht die Loops und mischt Texte von Dichtern wie Rubén Dario und Adolfo Becquer ohne Hemmungen und je nach Inspiration zu einem frischen, aktuellen und intelligenten Flamenco.

Der Höhepunkt: Antonio Choro Molina und „Solera 85“

Ein dichter Vollbart und ein hoher Knoten. El Choro ist keine halbe Portion. Kaum 30 Jahre alt hat er schon eine ganz klare Vorstellung von seiner Kunst: der Flamenco ist ein reiches Erbe, das die neuen Generationen bewahren und bereichern sollen. Stark wie ein Fels, ein ruhiger und tiefer Blick und die Bühne mit seinem Charisma erleuchtend, sind die Schläge seiner Zapateados scharf und reich an rhythmischen Variationen, seine Choreografien minimalistisch und dennoch großzügig. Er tanzt den Cante, setzt seine Remates punktgenau und erfüllt die Bühne mit seiner Perkussion, mit Händen und Füßen, fein, ziseliert, unendlich.

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Wenn die Solera der Prozess der Weinverarbeitung ist, der darin besteht, die heurige Ernte in die Fässer mit dem älteren Wein zu füllen um jene subtilen Aromen zu erzielen, die aus altem und frischem bestehen, bezeichnet sie auch die künstlerische Alchimie, die aus den jungen Tänzern ein Konzentrat aus Tradition und Moderne macht. Tiefe, Kraft und Anmut erfüllen die Cantiñas, Malagueñas, Abandolaos, Tangos, Seguiriya und Soleá por Bulería, zum Strahlen gebracht durch eine einfache aber raffinierte Szenografie und durch das „Cuadro de lujo“, das ihn begleitet. Manchmal sieht es so aus, als ob er sie begleiten würde, so aufmerksam und respektvoll ist er, ein wahrer Gentleman. An der Gitarre zwei Stars der jungen Szene, Jesús Guerrero, der sich mit seiner neuen CD „Calma“ dem Gitarrenhimmel nähert und Juan Campallo. Am Cante Jonatan Reyes und Jesús Corbacho. Der eine rau und stark, der andere ein Meister der Melismen, der sich selbst an der Gitarre begleitet, aber nicht irgendwie, sondern „Como Diós manda“. Der 5. Musketier ist Paco Vega an der Perkussion, der virtuos auf Antonios Zapateados antwortet.

Alle Zutaten für einen authentischen Flamenco sind hier vereint. El Choro, fair wie der gute Wein, der die erwartete Qualität bietet, überträgt die gute Energie und die Flamencowellen, die sich über das begeisterte Publikum legen, die fast gerührt diesen großen Künstler genießen.

Ob er sich allein präsentiert wie hier mit „Solera 85“ oder wie in Jerez unter der Regie von Rafael Estévez mit „Aviso: Bailes de Jitano“, Altonio Molina El Choro muss man gesehen haben.

Ein erstaunliches Fest

Das diesjährige Festival wird noch lange in Erinnerung bleiben und hat noch mehr an Prestige gewonnen. Dies bewies auch die diesjährige Präsentation beim Ministerium der Junta de Andalucía in Sevilla. Am Vorabend seines zehnjährigen Jubiläums hat sich dieses Event Anerkennung verdient. Für die Verbreitung der Flamencokultur und zwar der besten. Einer Gruppe von Liebhabern der Flamencokunst ist es wieder einmal gelungen, den Besuchern des Festivals Darbietungen von höchstem Niveau zu zeigen und für das Jahr 2017 wird das nächste mit Spannung erwartet.

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