So wie Mercedes Sosa die Stimme Lateinamerikas und Camarón de la Isla für viele der größte Cantaor ist, den der Flamenco jemals hervorgebracht hat, so ist Saban Bajramovic der König der Romamusik. Ein Jahr vor seinem Tod gelang es dem serbischen Filmemacher Milos Stojanovic ihn zu einem Filmportrait zu überreden, was durchaus nicht einfach war: Saban war der Inbegriff der Freiheit. Er setzte alles aufs Spiel, ging wann und wohin er wollte und erkannte keine Grenzen an.
Mit politischer Korrektheit hatte Saban zeitlebens nicht sehr viel am Hut. So wehrte er sich auch standhaft dagegen als Roma bezeichnet zu werden. Zitat: „ Mein ganzes Leben lang war ich Zigeuner und jetzt wollt ihr mich zum Roma befördern? Wer sind denn diese Roma? Wo habt ihr sie denn gefunden? Die einzigen, die ich kenne, sind alle Zigeuner!“
1936 in der serbischen Stadt Nis geboren, lernt Saban die Musik seiner Leute auf der Strasse kennen, die Schule lässt er so bald es geht hinter sich, seine Heimat ist die Musik und der Fußball.
Mit 18 Jahren wird er zum Militärdienst einberufen, was in der damaligen Zeit noch eine Jahre lange Abwesenheit von zuhause bedeutete und er beschließt vorher noch schnell zu heiraten. Kaum in der Kaserne angelangt desertiert er, zu groß ist seine Sehnsucht nach seiner Frau. Natürlich wird er gefasst und zu drei Jahren Zwangsarbeit im Hochsicherheitsgefängnis Goli Otok verurteilt.
Erstaunlicherweise stellt sich der Aufenthalt in Titos KZ als Glücksfall für Saban heraus, erhält er doch dort seine musikalische Grundausbildung. Ihm wird ein Instrument zur Verfügung gestellt, er lernt Kontrabass und gründet ein Orchester, mit dem er Songs von Sinatra und Armstrong, aber auch mexikanische und spanische Traditionals zum Besten gibt.
Seine Strafe wird wegen ungebührlichen Verhaltens verlängert, aber nach fünfeinhalb Jahren ist er endlich frei und beginnt sofort zu komponieren und Lieder in Romanés zu schreiben.
Saban und Camarón
Als er 1964 seine erste Platte produziert, kauft er sich vom Erlös einen weißen Anzug, einen weißen Mercedes und zwei Bodygards. Von diesem Moment an ist er nicht mehr aufzuhalten. Er tourt mit seiner Band „Crna Mamba“ über 20 Jahre durch die Welt, seine Auftritte sind legendär und manchmal sind die Veranstalter froh, wenn er doch nicht kommt, da unter den anwesenden Zigeunern mehr als einmal ein Tumult ausbricht, so ergriffen sind sie. Nicht zufällig gibt es zwischen Saban und Camarón viele Parallelen: Abgesehen von seiner Wirkung auf die Zuhörer hat er ein Charisma, dem sich niemand entziehen kann. Zitat: Manchmal, wenn er auf der Straße ging, sammelten sich die Leute und gingen ihm nach, am Ende war es dann eine Menschenmenge, sie wollten nur um ihn sein, bei ihm, er musste gar nichts tun.
Tanja Berclaz, die Produzentin des Films „Saban“ erzählt über die Schwierigkeiten, Saban festzunageln: „ Als wir ihn endlich lokalisiert hatten, war das nur der Beginn, er war voll von Überraschungen, fand uns einmal total sympathisch und wollte das Projekt unbedingt machen, am nächsten Tag hatte er seine Meinung geändert und verschwand. Einmal wurde er krank, ein andermal gab er vor es zu sein.
Saban mochte es nicht immer mit den gleichen Musikern zu arbeiten, also stellten wir ihm neue, junge Leute vor: Er hatte an jedem einzelnen etwas auszusetzen: der eine trug einen Ohrring, der nächste nahm nie seine Kappe ab, der eine redete zu viel, der andere zu wenig.“
Am Ende rief man den Musikproduzenten Dragi Sestic zu Hilfe, der zuerst abwinkte, weil selbst die BBC daran gescheitert war über Saban einen Film zu drehen, als die Dreharbeiten beginnen sollten, verschwand dieser nämlich und war unauffindbar.
Der einzige Wert an den Saban glaubt, ist die Freiheit.
Im Sommer 2005 beginnen dann die Dreharbeiten und es entsteht eines der besten Musikerportraits aller Zeiten. Das ganze Team lag ihm zu Füssen, vor allem, wenn er seine außergewöhnliche Stimme erhob: Diese Bitterkeit, diese Melancholie, es war Jazz, Blues, Tango und dabei 100% authentisch. Zwischen diesen Sternstunden zeigte er durchaus seine menschlichen Seiten.
Zitat: „Wenn er nicht sang, war jedoch alles anders: er beschwerte sich über alles: die Zigeuner, unsere Regierung und alle anderen, über die Reichen( wobei die Armen um nichts besser waren), er jammerte über seine Kollegen, über Präsident Bush ( der Kriminelle, der unzählige Leute auf dem Gewissen hatte), über das Wetter, über die Amerikaner und die Russen, die über die Mondlandung Lügen erzählten, und überhaupt über alles, was ihm in den Sinn kam.“
Entweder er sang oder er jammerte.
Sabans musikalisches Genie war und ist jedoch unumstritten. Bei den Studioaufnahmen pflegte er den Musikern ihre jeweilige Stimme vorzusingen, er hatte das gesamte Arrangement im Kopf ohne eine Note lesen zu können. Und er irrte sich nie. Wie bei Camarón stimmte jeder Ton und er versetzte viele Profimusiker durch seine überraschenden Interpretationen in Erstaunen.
Insgesamt hat er über 700 Titel für sich und andere geschrieben und komponiert und einige seiner Lieder haben inzwischen Kultstatus erlangt. „Djelem, Djelem“gilt als Hymne der Roma und jedes Kind kann den Text auswendig mitsingen.
Goran Bregovic bezeichnete ihn als seine Muse und Inspiration und seine Filmmusik für „Times of the gypsies“ und „Underground“ von Emir Kusturica wurden durch Sabans Stimme veredelt.
Auch Shantel konnte auf seiner genialen CD „Bucovina Club“ nicht auf ihn verzichten. Die Nummer „Sex“ wird durch Saban zu einer der besten auf dieser CD.
Das letzte Vermächtnis dieser Jahrhundertstimme ist seine 2. Produktion mit der Mostar Sevdah Reunion, erschienen 2006 bei Snail records. Eine meiner Lieblingsnummern ist „Shal Mange“ – „Mir ist kalt“. Wenn das nicht Flamenco ist, dann weiß ich auch nicht.
Mir ist kalt
Sag mir, ist der Sommer schon zu dir gekommen?
Wärmt dich die Sonne?
Ich muss nach hause
Hier ist es kalt und es fällt der Schnee
Ein kalter Wind bläst
Ich kann hier nicht bleiben
Ich höre dass du morgen kommen willst
Komm nicht, ich komme nachhause
Es ist so kalt hier.
Hör mir zu denn morgen komme ich heim
Ich bringe dir mein kaltes Herz
Damit du es wärmen kannst.
CD „Saban“ Mostar Sevda Reunion, Snail records 2006
Film „Saban“ von Milos Stojanovic Infos unter spif@beotel.net