Das Grec Festival de Barcelona hat sich zu einem der wichtigsten Kulturfestivals im Sommer entwickelt. Am Programm stehen Beiträge aus Tanz, Theater, Musik und Zirkus.
Neu finden. Neu lernen.
Juan Carlos Lérida zeigt dort am 8. Juli das Stück „El Aprendizaje“, in dem er gemeinsam mit Sila (elektronische Musik), Roberto Romei (Regie) und Marc Lleixa (Licht) die Geschichte einer Person nachzeichnet, die aus dem Koma erwacht und neu lernt. Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Stück des Dramatikers J. L. Lagarce.
Seit der Vor-Premiere im Oktober 2011 zeigten sie das Stück unter anderem beim Festival Flamenco Empírico 2012 in Barcelona (das war die eigentliche Premiere) und beim Flamencofestival im Tanzhaus NRW (Düsseldorf).
Rückblick: Text über die Vor-Premiere von El Aprendizaje, Okt. 2011
Juan Carlos Lérida in „El Aprendizaje“, 29.10.2011, Theater L´Estruch, Sabadell (Spanien).
Erneut hat der zeitgenössische Flamencotänzer Juan Carlos Lérida eine Vorreiterrolle im Flamenco eingenommen, diesmal gemeinsam mit dem Musiker Sila und dem Regisseur Roberto Romei. In „El Aprendizaje“, basierend auf dem gleichnamigen Stück des Dramatikers J. L. Lagarce, interpretiert Lérida einen Menschen, der im Krankenhaus aufwacht und sich neu finden muss. Er wird von außen beobachtet und durchleuchtet, innen umgeben ihn viele Fragezeichen und der Drang, wieder leben zu wollen. Wenn von irgendwo schwache Erinnerungen an Bewegungen durch den Körper fahren, dieser aber gerade dabei ist, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Was sind das für Bewegungen eines Flamencotänzers, der sich zwar kaum bewegen kann, aber nicht anders kann, als sich zu bewegen? Woran erinnert sich ein vom Flamenco geprägter Körper und wie findet er zurück in seine Form, oder findet er eine neue?
Kongenial wird Lérida dabei von Sila unterstützt, der im Stück nicht nur elektronische Musiker macht, sondern auch die zweite Person darstellt: den Freund, der zusieht, wie einer aufwacht und sucht. Als Musiker arbeitet Sila mit Sequenzen aus dem Flamencogenre, mit Klängen und Geräuschen. Auf der Bühne mischt er alles live zusammen, damit das Flamenco-charakteristische Wechselspiel zwischen Tanz und Musik entsteht.
Taumeln, torkeln, aufstehen
Lérida beginnt barfüßig taumelnd, als wäre er gerade aufgewacht. Wir sehen in sein Inneres, die Unsicherheit ist das einzige, was in diesem Moment definierbar ist. Er wirbelt und bleibt abrupt stehen. Der Fokus, das Licht und die Stimmung ändern sich komplett. Aus der bewegten Gefühlswelt ausgestiegen befinden wir uns nun im Krankenhaus, wo der Körper still gehalten und vermessen wird und wo nur ganz zaghaft Leben durch die Geräte flackert. Langsam durchbrechen die beiden Freunde die Sterilität des Krankenhauses und beginnen eine energetisierende Konversation zwischen Musik und Tanzperkussion. In diesem Enthusiasmus zieht sich Lérida seine Flamencoschuhe an und man denkt: jetzt! Aber Lérida bleibt konsequent in seiner Rolle und fällt zu Boden, kann sich nicht auf den Beinen halten – und tanzt seine Soleá liegend. Für die Zapateados will er aufstehen und torkelt völlig aus dem früheren Gleichgewicht gebracht in etwas hinein, das neu ist – für ihn und für das Publikum.
Die zweite Person
Bis zu diesem Moment war Léridas Charakter hauptsächlich mit sich selbst und dem Finden seines Körpers beschäftigt, nun öffnet er seine Welt für seinen Begleiter Sila. Lérida bewegt Sila, sie berühren einander zum ersten Mal. Stück für Stück baut er Bewegungen auf, bis Sila letztendlich in einer klassischen Flamencopose stehen gelassen wird – ein sehr antikes Bild und ein Stillstand, bevor Lérida die Zapateados fortsetzt. Die Stimmung schwankt in diesem Moment zwischen Hoffnung und Resignation. Wir sind irgendwo zwischen der Kälte des Krankenhauses und dem Wirbel der Emotionen und werden als Publikum alleine gelassen, denn Lérida geht. Er kommt zurück als Sila ein Lied des Sängers Bambino auflegt, zu dem Lérida ausgelassen tanzt. Erstmals lacht er. Er lädt Sila ein, ihm zu folgen und singt eine Alegría, die sie gemeinsam tanzen bis Sila am Ende geht. Lérida steht alleine auf der Bühne, ganz vorne und beginnt ein neues Kapitel. (von Julia Petschinka)
Foto: Klaus Handner