Santiago Lara, Gitarrist aus Jerez de la Frontera, hat das beste aus der Corona Zeit gemacht und die wunderbare CD „Tu canción en mi guitarra“ produziert mit Liedern, die ihm selbst gefallen, interpretiert von großen SängerInnen und seiner Tochter Pastora. Nach seiner großartigen CD „A Tribute to Pat Metheny“, die einiges Aufsehen erregte nun eine kleine, wunderbare Musik CD, die natürlich auf keinem Gabentisch fehlen sollte, zu erwerben über die Webseite https://www.santiagolaraguitar.com.

Santiago Lara ist nicht nur ein ausgezeichneter Gitarrist, schließlich hat er – unter vielen anderen Auszeichnungen- zweimal den Giraldillo bei der Bienal de Sevilla gewonnen, wobei jedes mal sein sensibles und ausdrucksstarkes Spiel hervorgehoben wurde, er ist auch Arrangeur, Komponist und veranstaltet seit zwei Jahren das „Festival de la guitarra“ in seiner Heimatstadt Jerez de la Frontera.

Du hast im Juni deine neue CD „Tu canción en mi guitarra“ präsentiert, erzähl uns doch etwas darüber

Der Titel sagt eigentlich schon sehr gut, was es ist: es ist keine Flamenco CD, du wirst keine Soleá hören und keine Seguiriya, ich habe Lieder ausgewählt, die mich in meinem Leben begleitet haben, wie das „Halleluja“ von Leonard Cohen, das meine Tochter singt, eines von Sting, von Chick Corea, Lieder, die jeder kennt, arrangiert von einem Flamencogitarristen. Mit einem Streichquintett zum Beispiel. Etwas, das ich in Zukunft öfter machen möchte ist Arrangements für andere Instrumente , vor allem für Streichinstrumente zu schreiben. Es ist eine CD, auf der ich mir die Freiheit erlaube eine andere Facette von mir auszuleben, als Musiker und nicht nur als Flamenco. Man darf auch nicht vergessen, dass es während der Zeit der Ausgangssperren entstanden ist und um nicht verrückt zu werden habe ich mich damit beschäftigt.

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Ich erinnere mich gerade an deine Pat Metheny CD, war die mehr flamenco?

Eigentlich auch nicht, ich empfinde einen großen Respekt vor dem Flamenco, ich denke, er hat eine Identität und einen Stil, den man nicht mehr Flamenco nennen sollte, wenn man ihn verlässt, es ist wie bei der klassischen Musik, man muss ihn als etwas Exquisites respektieren, wenn ich Flamenco mache, mache ich Flamenco.

Wenn ich andere Musik spiele, kann es nach Flamenco klingen, und wenn du dir dieses Album anhörst, wirst du mir sagen – aber du hast mir gesagt, dass es kein Flamenco ist, und für mich ist das zum Beispiel eine Bulería, die Nummer „Fragile“ mit Josemi Carmona. Wir sind beide damit aufgewachsen und deshalb klingt alles, was wir machen, immer nach Flamenco, aber ich mag es nicht so nennen.

Fühlst du auch einen gewissen Druck von den Puristen, so wie die Tänzer, wenn du die Grenzen ausweitest?

Nein, bei der Gitarre haben wir schon mehr Freiheit, ich habe da nie einen Druck verspürt, ich mache das ja auch nicht für die Kritik sondern für mich selbst und als Künstler muss ich kohärent bleiben. Jeder kann machen, was ihm gefällt, aber ich finde, dann soll man es auch so nennen.

In Jerez gibt es ja eine ganze Generation von guten, jungen Gitarristen, warum ist das so?

Das ist eine gute Frage, denn Jerez war immer bekannt für seine großen Cantaores und bei den Gitarristen waren vor allem die Begleitgitarristen bekannt, und da sprechen wir von den ganz Großen wie Los Parrilla, Los Morao, Paco Cepero, Periquín und sein Bruder, die den Cante begleiteten.

Die Generation zu der mein Bruder Paco Lara, Alfredo Lagos, Juan Diego Mateo oder Bolita gehören ist eine ganz besondere: sie lernten alle bei Balao und Carbonero aber gleichzeitig hörten und sahen sie Parrilla, Morao, Paco de Lucía, Manolo Sanlucar und Riqueni ….

Der Maestro Balao hat unser Blickfeld erweitert indem er immer insistierte, dass wir auch jede andere Art von Musik hören sollten und so ist eine geniale Gruppe von jungen Gitarristen entstanden. Ich bin ja mindestens zehn Jahre jünger und gehöre fast schon zur nächsten Generation, aber ich bin mit ihnen aufgewachsen, vor allem mit meinem Bruder, der gerade in Australien Triumphe feiert.

Spielt ihr auch öfter zusammen? Ich erinnere mich gerade an eine Hommage an Paco de Lucía vor einigen Jahren, da standet ihr alle gemeinsam auf der Bühne und das war großartig!

Ja, das stimmt und beim letzten „Festival de la guitarra“ in Jerez, das ich programmiere, machten wir eine Hommage an Balao und das war sehr schön, diese Kameradschaft, das Gefühl der Gemeinsamkeit, das da entstand, war sehr wichtig für uns und es braucht mehr davon. Da war zum Beispiel auch Paco León dabei, als einer der jüngsten. Es war ein wunderbares Konzert, jeder spielte mit seinem eigenen Stil, hier in Jerez gibt es zwar eine bestimmte Schule der Gesangsbegleitung, aber jeder der Gitarristen hat seinen eigenen, ganz persönlichen Stil, das ist schon etwas besonderes.

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Wird es dieses Festival weiterhin geben?

Ja, es war eine Initiative von mir und Mario González von der Guarida del Ángel, weil wir uns sagten, dass es eigentlich unglaublich sei, dass Jerez mit seinen vielen guten Gitarristen kein eigenes Festival hat, es gibt in ganz Spanien kein Festival für Flamencogitarre. Es war nicht einfach, denn die Geldgeber der öffentlichen Institutionen wollen ja immer gleich den Erfolg in Zahlen sehen und das ist schwierig. Aber schau dir doch das Festival de Jerez an – jetzt ist es ein Erfolg, aber am Anfang hat es niemanden interessiert. Was auch im letzten Jahr offensichtlich war, ist, dass es vor allem die ausländischen BesucherInnen zu einem Erfolg machen, ohne die wäre das alles nicht möglich.

Was braucht es für ein gutes Gitarrenkonzert?

Einen Gitarristen und das war’s! Das ist das Format, das ich mir wünsche: ein Konzert an einem schönen Ort, von denen es in Jerez viele gibt, eine Kirche, ein Museum, mit einer kleinen Kapazität von hundert, hundertfünfzig Leuten, das ist es, was ich will, und ich hoffe, dass es Kontinuität hat.

Das Problem hier ist, dass sie alles sehr schnell machen wollen und sofort gestresst sind, wenn sie nicht gleich alle Karten verkaufen, aber das ist normal und die Gitarre ist sehr schwierig, man muss die Leute darauf aufmerksam machen, damit sie es sich ansehen, ….

Wir müssen die Denkweise ändern, zu sagen – die Leute mögen die Gitarre nicht – das ist eine Lüge, das Konzert, das wir im Alcazar gegeben haben, die Hommage an Balao, da waren viele Leute, die gesagt haben, dass es das beste Konzert gewesen sei, das sie in den letzten Jahren gesehen hätten und deshalb habe ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen, wir Gitarristen müssen auch ein bisschen Musik für das Publikum machen, manchmal sind wir zu introvertiert und wir machen Musik, die niemand versteht außer uns selbst und das ist auch nicht gut.

Bei Paco de Lucía sieht man das ganz deutlich: er spielt viele eingängige Lieder, richtige Ohrwürmer wie „Entre dos aguas“ oder „Canción de amor“ und selbst bei seinen technisch schwierigsten Stücken können wir mit pfeifen und bei Manolo Sanlucar ist das ähnlich. Wir sollten auch Musik machen, die eine angenehme Melodie hat, damit die Leute sie gerne hören.

Das passiert ja oft, dass die Leute sagen – keine Ahnung, was das war – und das bedeutet ja auch etwas, oder?

Für mich liegt die Schuld hier beim Künstler selbst. Ich habe Gitarrenkonzerte gesehen und war gelangweilt. Und ich bin Gitarrist, und trotzdem habe ich mich gelangweilt, das heißt, ich habe auf die Uhr geschaut und mir gesagt, mal sehen, wann das zu Ende ist. Und das ist traurig. Aber es gibt Gitarristen, die wissen, wie man das macht. Es gibt eine Menge Leute, die sehr gut spielen. Viel Technik, viel Wissen, aber nicht alle sind in der Lage, eine Botschaft zu übermitteln.

Für mich gibt es ja kaum etwas Schöneres als eine klassische Soleá…

Mehr braucht es nicht, es geht nicht darum, ob man eine Note spielt oder tausend, bei all den Genies klang das schwierige immer ganz einfach und darin liegt auch das Geheimnis: Musik von hoher Qualität zu machen, aber so, dass das Publikum sie versteht.

Muss man Sologitarrist sein, damit man geschätzt wird?

Das glaube ich nicht. Momentan ist die Tendenz eher umgekehrt. Der Künstler, der zum Beispiel Cante begleitet, wird hoch geschätzt. Ich mache alle drei Dinge, aber am wenigsten Erfahrung habe ich in der Begleitung des Cante. Im Tanz habe ich einen Master-Abschluss – natürlich wegen meiner Frau – und auch als Solist, aber die Cante Begleitung ist nicht meine Stärke. Genausowenig kann ein Gitarrist, der gut für den Cante spielt, als Solist auftreten, wenn er nicht die nötige Technik, den Klang, die Sauberkeit hat, die dafür notwendig ist.

Für mich sind das drei verschiedene Berufe: Konzertinterpret, Komponist und Gitarrist zur Cante Begleitung. Wie Du sagst, ist es eine sehr schwierige Disziplin und man muss sich darauf spezialisieren, aber ich für meinen Teil erkenne an, dass ich in dieser Disziplin gewisse Grenzen habe, weil ich mich ihr nicht verschrieben habe. Als Gitarrist sollte man fähig sein, das zu erkennen. Zur Zeit von Paco de Lucía und Manolo Sanlucar war alles sehr genau definiert, sie waren Konzertgitarristen genauso wie Gerardo Núñez oder Serranito. Aber gleichzeitig gab es die Habichuelas, die Moraos, die Begleitgitarristen, es war ganz klar, wer wer war. Mit anderen Worten, die Konzertinterpreten waren Komponisten, sie spielten gut, sie spielten sauber, sie waren Virtuosen, und es gab aber auch welche, die für Gesang gespielt haben, die auch die Besten auf ihrem Gebiet waren. Heutzutage ist das alles sehr vermischt, und deshalb beschwere ich mich auch manchmal, weil ich sehe, dass auf Festivals ein Gitarrist, der kein Konzertgitarrist ist, ein Konzert gibt, wo du weißt, dass das Publikum sich langweilt, weil er keinen Diskurs hat. Das muss man ein bisschen mehr beachten, man muss jeder Sache ihren Wert geben.

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Wo liegt denn jetzt die Schwierigkeit bei der Gesangsbegleitung?

Es ist sehr schwierig, weil ein Gitarrist, der den Cante begleitet, zunächst einmal den Gesang sehr mögen muss, er muss ein Aficionado sein und er muss verstehen, dass seine Rolle darin besteht, den Sänger zu unterstützen, sich nicht über den Sänger zu erheben, sondern ihn so zu begleiten, dass er sich wohlfühlt, und rhythmisch muss er auch sehr gut sein. Man braucht ein hervorragendes Gehör, damit man dem Cantaor folgen kann, wenn er improvisiert, da ist höchste Konzentration nötig.

Hast Du da einen Lieblingsgitarristen?

Da gibt es viele, Paco Cepero zum Beispiel, als Gesangsbegleiter war er einer der besten, oder Juan Habichuela, der sehr persönlich spielte und sehr respektvoll gegenüber dem Cante war, oder Morao, Moraíto, mein erstes Idol, er war sehr ehrlich, sehr authentisch in allem, was er tat. Ich habe viel mit ihm geredet, er war ein sehr einfacher Mensch und er hat mir gesagt, dass er es liebt, den Cante zu begleiten Er wollte nicht alleine spielen, er war sich seiner Rolle sehr bewusst, aber dann spielte er vier Stücke allein und er hat sie besser gespielt als jeder andere, alles, was er gemacht hat, war sehr besonders.

Ich kannte ihn, seit ich sehr jung war, ich ging mit meinem Vater, der ihn sehr mochte, zu den Viernes flamenco, zu den Peñas, und wenn ich Moraíto hörte, war es, als hörte ich Beethoven, für mich war er der Größte.

Hast Du in seiner Nähe gewohnt?

Nein, ich stamme aus Jerez, aber ich lebte im Barrio San Benito, das nicht im Zentrum liegt. Ich bin nicht in einem Viertel aufgewachsen, das vom Flamenco umgeben war, sondern ich habe ihn durch meine Familie, meinen Vater und meinen Bruder, kennen gelernt.

Dein Bruder Paco ist ja der Ältere, nicht wahr?

Ja, er ist zehn Jahren älter. Und ich habe mit ihm angefangen, ich hatte das Glück, dass ich schon als Kind jeden Tag zu Hause Gitarre hörte und nicht nur durch meinen Bruder, sondern auch durch Alfredo Lagos oder Bolita, die uns oft besuchten, und sie waren große Aficionados. Ich habe viele Videos gesehen, aber nicht nur von Flamenco, ich habe Pat Metheny gehört, seit ich klein war, er ist mir sehr vertraut, ebenso wie Dire Straits, na ja, alle Arten von Musik. Nach meinem Bruder ging ich zu Balao, er half mir sehr, und als ich 16 war, gewann ich den Wettbewerb der Bienal de Sevilla, und dann war da noch Manolo Sanlucar, mit dem ich das Glück hatte, fünf oder sechs Jahre lang zusammen zu sein, und er ist er meiner Meinung nach der beste Lehrer, den der Flamenco je hatte.

Vor kurzem ist dein Sohn Santiago geboren, für ein Künstlerpaar ist es ja gar nicht so leicht, alles zu vereinbaren…

Wir sind sehr glücklich, aber letzte Nacht hab ich sehr wenig geschlafen… wenn wir nächstes Jahr auf Tour gehen, werden wir die Kinder mitnehmen und meine Tochter Pastora, die jetzt elf Jahre alt ist wird uns mit dem Kleinen helfen, aber klar, sie hat ja auch schon ihre Verpflichtungen und geht in die Schule.

Wie ist es euch denn während der Pandemie ergangen?

Es war nicht einfach, aber Mercedes und ich arbeiten ja auch an unseren eigenen Projekten, das macht es etwas leichter, aber klar, mental war das schwierig. Deshalb habe ich auch diese CD produziert, damit mein Kopf beschäftigt war.

Für einen Gitarristen ist es vielleicht einfacher, ihr verbringt ja sowieso das halbe Leben eingesperrt in einem Zimmer

Das stimmt. Und wenn sich die anderen über die Einschränkungen beschwert haben, sagte ich, dass ich so mein ganzes Leben verbracht hätte. Wir sind schon etwas seltsam, sehr introvertiert, weil wir jeden Tag stundenlang üben, das sagte ja schon Paco de Lucía. Aber das geht ja den meisten Musikern so, wenn du gut sein willst, verbringst du unglaublich viel Zeit mit deinem Instrument.

Beim nächsten Festival de Jerez seid ihr beide, Mercedes Ruiz und du mit eurem neuen Stück „Segunda Piel“, hast du auch andere neue Projekte?

Ja, einige, aber da brauchen wir noch Unterstützung, vor allem finanzielle, von offizieller Seite. Es kann eigentlich nicht sein, dass bei einem Gitarrenfestival in Spanien kein Flamenco dabei ist, das ist doch die Musik, die den Charakter Spaniens ausmacht, sie ist absolut authentisch und autochton. Wir haben schon längst mit den klassischen Gitarristen gleichgezogen, von der Kreativität brauchen wir gar nicht zu reden. Ich hoffe, dass sich das in der Zukunft ändern wird.

Interview: Susanne Zellinger

Festival de Jerez: Compañía Mercedes Ruiz: „Segunda Piel“, 19.02.2022

www.festivaldejerez.es