In ein Wechselbad der Gefühle stürzte mich das letzte Wochenende, an dem ich drei verschiedene Performances sah, zwei davon direkt und „La Fiesta“ von Israel Galván noch mal auf Video, weil mich das natürlich noch immer beschäftigt, dass es mich so gar nicht gefangen nahm oder begeisterte, bin ich doch ein Fan der ersten Stunde. Was ist es also, das uns in diesen Glückstaumel versetzt, dieses tranceartige Gefühl, diese untrügliche Sicherheit, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben, dabei gewesen zu sein bei einem ganz außergewöhnlichen Moment, in dem du eins mit der Kunst wirst, in dem der Duende dich erfasst. Marion Kröger beschreibt in der Zeitschrift für Kulturwissenschaften den Moment des Duende zwar wissenschaftlich, aber doch treffend so: In guten Flamencoperformances kommt es zur Erfahrung von duende (Kobold, Dämon). Informanten beschreiben dieses Phänomen als Inspiration, göttlicher Funke, Besessenheits-oder Trancezustand, Duende intensiviert die Erfahrungen, die Akteure fühlen einen Rausch, fühlen sich außerhalb einer bewussten Kontrolle. Der Tänzer, Sänger oder Gitarrist scheint zur selben Zeit Medium und Schöpfer einer Quelle zu sein, die sein Innerstes nach außen kehrt. Aber diese Erfahrung ist nicht auf die Hauptakteure beschränkt, auch Zuschauer fühlen diese Art von „flow“ bis hin zur Extase und gehen in „communitas“ auf.
Dass der Duende sich deiner bemächtigen kann, hat aber immer auch etwas mit Rhythmus zu tun, er erscheint nämlich nicht irgendwann, sondern in einem ganz bestimmten Moment, indem sich das Tun auf der Bühne so sehr verdichtet, dass es erscheint, als folge es einem inneren Rhythmus, es ist wie der Schlag des Herzens oder eines Pulses, der nicht unbedingt schneller werden muss, aber stärker, intensiver und der sowohl die Akteure als auch die Zuschauer erfasst. Dieser Moment kann nicht mit Worten beschrieben werden, man muss ihn erleben. Das macht ihn so einzigartig und so – eines meiner Lieblingswörter aus dem Französischen – so éphémère, also vergänglich, flüchtig. Er kann auch nicht in Bild und Ton festgehalten werden. Für mich hat er auch mit Schönheit zu tun, nicht mit der plakativen, offensichtlichen oder „gemachten“ Schönheit, sondern mit der tiefen, wahren, emotionalen Schönheit, die oft nur ganz kurz sichtbar ist, aber sie ist da.
Diese Schönheit sah ich bei „Rosas danst Rosas“ von Anne Teresa De Keersmaker in der Schlichtheit der Bewegungen, der endlosen Wiederholungen, der unprätentiösen Aneinanderreihung von Gefühlen und der Perfektion der vier Tänzerinnen. Bei „Oh Magic“ von Simon Mayer war es die Wildheit, das Tanzen bis zur Erschöpfung, die Nacktheit der tanzenden Körper und der Mut zur Stille. Und ja, natürlich der Puls, der Herzschlag.
All das fehlte bei „La Fiesta“, da war zu viel gedacht und nicht gelebt, nicht erlebt, da war keine Leidenschaft und die will ich ja unbedingt, auch wenn sie kühl ist, und Schönheit, ja die will ich auch. So oder so.
Titelbild: C. Lessire
Foto „La Fiesta“: Chihiro Minato