José Galán (Camas, 1980) ist ein Pionier in der Arbeit mit Personen mit Defiziten im Flamenco. Er ist Künstler und Pädagoge und sein Stück „En mis Cabales“, das beim diesjährigen Flamencofestival in Düsseldorf im Tanzhaus nrw zu sehen sein wird ist ein wunderbares Beispiel dafür, was Integration wirklich bedeutet und was in der Kunst möglich ist, welche Schönheit ihr inne wohnt, wenn eine Person dahinter steht, die an das glaubt, was sie tut. José Galán ist so eine Person.

„En mis Cabales“ war nicht dein erstes Stück für Menschen mit Behinderung, aber das erfolgreichste.

2010 machten wir „Cierra los ojos y mírame“, das war ein Pilotprojekt, aber mit „En mis Cabales“ sind wir in die Geschichte eingegangen, erstens war es ein großer Erfolg und es hatte eine große soziale und künstlerische Bedeutung. Die Zuschauer vergaßen, dass es ein integratives Projekt war, da gab es keine Barrieren, welche Barrieren? Im Flamenco gab es schon immer Künstler mit Behinderungen, ganz berühmte sogar, die mit ihrem besonderen Stil großen Einfluss auf andere hatten wie Miracielos oder Enrique El Jorobado. Oder diese Tänzerin aus Barcelona, über die gerade ein Film gemacht wurde, „La Chana“, sie kann heute nur mehr im Sitzen tanzen, aber wie! Einfach großartig, und in die Richtung geht auch „Flamenco Inclusivo“! Leider gibt es viel zu wenig Studien darüber, weil dieses Thema im Tanz immer mit Rehabilitation und mit Therapien oder Psychologie zu tun hatte.

Ich bin aber Pädagoge, mehr noch bin ich Künstler und Tänzer, aber ich bin auch Pädagoge. Und da habe ich viel durch Trial und Error gelernt, da gibt es nicht die perfekte Methode, alle Menschen mit Down Syndrom sind verschieden, jeder ist eine Welt für sich. Das Problem hier ist, dass sie meistens wie Kinder behandelt werden, aber das ist nicht richtig.

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Aber sie haben eine große Begabung für Tanz und Schauspiel, oder?

Ich finde schon, sie sind sehr begabt in der non verbalen Kommunikation, das liegt ihnen und der Flamenco kommt ihnen sehr entgegen, es geht ja darum Emotionen zu vermitteln und da haben sie einen Vorteil: Sie haben keinen Filter, sie zeigen und sagen alles sofort, ob es nun nett ist oder nicht, sie sind sehr ehrlich.

Es ist nicht immer einfach auf der Bühne, denn da wird ja eine gewisse Ästhetik verkauft und gewisse Vorurteile müssen überwunden werden. Auch ein Grund, warum Reyes, unsere Tänzerin, am Beginn mit einem großen Hut auftritt, der ihr Gesicht verbirgt und erst wenn sie ihn abnimmt, siehst du ihr Gesicht und damit ihre Behinderung. Technisch darf man von ihr keine Wunder erwarten, aber sie hat eine unglaubliche Grazie.

Reyes und der Tänzer Elliot sind ja ganz unterschiedlich.

Oh ja, total. Durch unsere langjährige Freundschaft und die gemeinsame Arbeit, weiß ich genau, was sie können und was nicht. Er ist mehr contemporary und hebt sein Bein wie nichts über den Kopf und sie hat Schwierigkeiten beim Gehen, aber sie ist sehr flamenca und hat sehr schöne Hände. Ich fördere ihre guten Eigenschaften und versuche zu vermeiden, dass ihre Defizite zu Tage treten. Aber ich muss auch sehr dahinter sein. Elliott liebt die Musik und die Kunst, er ist sehr diszipliniert und wiederholt vor dem Auftritt seine Choreografien mit seinem Handy. Reyes hingegen ist da sehr entspannt und seitdem sie erkannt hat, dass sie mit einem Heben der Schulter und einem Augenzwinkern genau so viel erreicht, sieht sie nicht ein, warum sie sich anstrengen sollte.

Und wie ist das beim Unterricht? Ist das nicht sehr schwierig?

Das ist bei allen gleich, es gibt ja bei den anderen Tänzer/innen auch manche, die länger brauchen um einen Schritt zu verstehen, andere haben Probleme mit dem Ausdruck, manche üben viel und andere nicht. Die Tänzer/innen mit Down Syndrom haben manchmal das Problem sich etwas zu merken und deswegen rede ich auch nicht so viel, da gehe ich praktischer vor und mehr auf sie ein. Ich tanze nicht vor und sie machen es nach, wie das im Flamencounterricht immer noch üblich ist, aber wie gesagt, ich kenne sie sehr gut und weiß um ihre Möglichkeiten.

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Wie bist du überhaupt dazu gekommen?

Eigentlich durch einen Kurs, der bei „Danza Mobile“ angeboten wurde mit dem Titel: „Das Erzieherische im Tanz“. Groß war meine Überraschung, als ich sah, dass es sich um einen Kurs handelte, der für Menschen mit Behinderung angeboten wurde. Nach kurzer Zeit nahmen auch zwei junge Leute mit Down Syndrom daran teil, wir improvisierten und ich war begeistert. Ich ließ meinen Lebenslauf da und nach einem Jahr begann ich zu unterrichten und es machte mir unglaublich Spaß. Meine Flamencokarriere ging parallel weiter, ich tanzte in der Kompanie von Sara Baras in Madrid, aber als ich 2010 nach Sevilla zurückkehrte bekam ich eine Subvention vom Instituto Andaluz del Flamenco und gründete meine eigene Kompanie. Mit einem Tänzer und einer Tänzerin mit Down Syndrom, aber ich wollte noch mehr. Ich fand einen Cantaor, der sehr schlecht sah und vor allem sehr gut sang und einen blinden Perkussionisten. Wir waren sieben in der Kompanie und vier davon waren behindert. Am Anfang waren alle skeptisch, aber das Resultat überzeugte sie. In den folgenden Jahren sammelte ich Erfahrungen, ich studierte, damals gab es das einzige Post Graduate Studium für Flamenco an der Universität in Sevilla, und jetzt schreibe ich gerade an meiner Doktorarbeit.

Was interessiert dich da am meisten?

Diese Menschen sind anders, natürlich, aber dieses Anderssein nimmt ja nichts weg, ganz im Gegenteil, es bringt einen Wert dazu: Es sieht ja immer so aus, als ob sie sich an uns anpassen müssten, aber vielleicht müssten wir unser System an ihres anpassen. Sie haben ein Recht auf den Zugang zur Kultur, nicht als Konsumenten, wo es darum geht, dass wir eine Rampe bauen, dass sie überhaupt ins Theater kommen, sondern als Protagonisten, als Künstler.

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Wir haben ja ein Problem mit der Bezeichnung „Behinderte“ ist das wichtig?

Ja schon, aber eine Mutter nennt ihr Kind behindert, nicht weil sie ihm schaden will, sondern auch, weil es keine andere Bezeichnung kennt. Aber die Defizite gehören eben zu der Person dazu, wie es ja auch uns passieren kann, im Alter oder durch einen Unfall. Es sollte nur nicht das einzige im Leben sein, das dich bestimmt. Nur weil du im Rollstuhl sitzt, heißt das nicht, dass du nicht gerne Fußball spielst. Du tust es eben auf eine andere Art und sei es mit den Händen. Wir haben doch alle unsere Defizite.

Und was die Bezeichnung angeht ist mir der Inhalt wichtiger als die Form und mir gefällt zum Beispiel die Bezeichnung „Flamenco inclusivo“ besser als „Flamenco integrado“. Ein offener Flamenco, der Behinderte und Nicht Behinderte mit einschließt, alte Menschen und Kinder, Ausländer und Inländer, Flamenco für alle.

Fotos: Javier Fergo und deflamenco.com