Das Interview mit Manolete führte Karin Helml in „La Chumbera“, der „Escuela Internacional de Flamenco Manolete“ in Granada. Hier auf dem Sacromonte hat Manolete seine Heimat, hier ist er aufgewachsen und vor 6 Jahren mit seiner internationalen Flamencotanzschule wieder auf den Monte zurückgekehrt.
Die Tanzschule wird von Judea Santiago Heredia, der Tochter von Manolete, geleitet. Obwohl es finanziell alles andere als leicht ist, hat Manolete einen sehr großzügigen Umgang mit den Kursbeiträgen. Kinder zwischen 4 und 14 Jahren, die hier an der Schule Unterricht nehmen, bezahlen einen „Chupa Chups“ pro Monat, das ist alles. Er möchte, dass sie sich früh für den Flamenco interessieren. Viele kommen aus Granada und den umliegenden Orten, sogar aus Murcia oder Barcelona und bleiben durchgehend mehrere Wochen. Neben Flamencotanz wird auch klassisches Ballett an der Stange, Gitarren- und Gesangsunterricht gegeben. Zusätzlich zum Unterricht für AnfängerInnen gibt es natürlich auch Unterricht für Intermedios, Avanzados und Profis und es gibt die Möglichkeit, sich seinen Unterricht speziell zusammenstellen zu lassen. Im Sommer werden Intensivkurse zu Technik und Compás mit einigen der besten Flamencotänzer angeboten. Vergangenen August waren das Farruquito, Antonio Canales und Pastora Galván.
Manolete, du bist ein international angesehener Tänzer, der auf den Bühnen der ganzen Welt aufgetreten ist, zugleich bist du aber auch „muy granaíno“, ein Künstler des Sacromonte. Wie hat alles begonnen? Wie war deine tänzerische Prägung hier in Granada?
Ich bin hier auf dem Sacromonte geboren. Meine Mutter war Tänzerin und als sie schwanger wurde, trat sie dennoch weiter in einer Zambra auf.
Ich glaube, dass ich im Bauch meiner Mutter die Schwingungen aufgenommen habe. In meinem Fall, denke ich, dass das einen großen Einfluss auf meine Entwicklung gehabt hat.
Wie war es hier auf dem Sacromonte? Habt ihr auf der Straße oder zu Hause getanzt? Wie hast du das Tanzen erlernt?
Das Tanzen habe ich in der Praxis erlernt, ohne dass ich etwas von Choreographien gewusst hätte, nur nach dem Rhythmus der Gitarre und dem Gesang und ohne tänzerische Ausbildung – Tanzen nach Gefühl. Hier auf dem Sacromonte gab es – und gibt es noch immer – die Zambras. Ich bin schon sehr jung, bereits mit 6 Jahren, in einer Zambra, der von „La Rocío“, einer nahen Verwandten von mir, aufgetreten, um Geld zu verdienen und die Familie zu unterstützen. Danach habe ich in weiteren „Cuevas“ getanzt, bis ich nach Madrid ging.
Was waren die wichtigsten Etappen deiner künstlerischen Laufbahn?
Zuallererst Madrid. Mein Bruder, der Gitarrist Juan Maya Marote, ist als erster nach Madrid gegangen und hat mich dann, als ich 14 war, nachgeholt, weil er überzeugt war, dass etwas aus mir werden könnte. In Madrid habe ich dann meine Ausbildung bei zwei der ganz großen Bailaores erhalten, bei Farruco und Rafael el Negro. Das sind meine beiden Idole. Einen großen Einfluss hatte auch die Familie der Pelaos auf mich, Juan el Pelao und andere. Das waren Gitanos aus Madrid, die einen besonders kraftvollen Stil hatten, und mit denen ich gearbeitet habe.
Dann kam Japan und dort lernte ich Antonio Gades kennen. Mit ihm, mit meinem Vetter Mario Maya und El Guito bin ich auf allen großen Bühnen aufgetreten. Diese drei waren schon besser ausgebildet als ich und wussten mehr über die Kunst des Flamenco. Sie hatten Theater Erfahrung und wussten, wie man sich positionieren muss, wie man Pirouetten dreht und so weiter, was ich ja vorher nicht gemacht hatte. Ich war eineinhalb Jahre bei der Kompanie von Antonio Gades und dabei habe ich mich perfektioniert. Antonio war mein Lehrer, er hat mich sehr gefördert, weil er wollte, dass ich seine Farruca und seine Siguiriya tanze. Alle diese Erfahrungen zusammen mit dem, was ich bereits vom Sacromonte mitbrachte, diesen kraftvollen Zapateado, typisch für den Sacromonte, haben mich geformt und mir geholfen meinen Stil zu finden.
Nach der Tour mit Antonio Gades, habe ich dann meine eigene Tour mit meiner Gruppe auf den gleichen Bühnen gemacht. Das war eine sehr intensive Zeit für mich, außerdem habe ich die größten und besten Tänzer in Japan ausgebildet. Ohne mich hervorzutun, glaube ich, dass ich der wichtigste Flamencotanzlehrer in Japan war. Insgesamt habe ich 15 Jahre in Japan gearbeitet.
In dieser Zeit bin ich auch in Deutschland oft aufgetreten, in Berlin, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Essen, in ganz Deutschland. Das Publikum dort ist sehr an gutem Flamenco interessiert und kennt sich aus. Danach waren wir auch in Italien, in England, in Russland, in den USA, auf der ganzen Welt unterwegs.
1981 habe ich dann meine Gruppe „Flamenco Soy“ gegründet und 1991 unsere erste große Arbeit in Granada präsentiert. Dieser Name wird jetzt seit 3 Jahren auch von der Junta de Andalucía als Promotion für den von der UNESCO verliehenen Titel „Flamenco als Immaterielles Kulturerbe“ geführt. Die Gruppe hat es bis vor einem Jahr gegeben, das waren ungefähr 20 Personen, aber jetzt mit der Krise kann ich die Künstler nicht mehr bezahlen.
Wie haben die Leute hier in Granada den internationalen Erfolg aufgenommen? Waren alle stolz oder gab es auch Neid?
Ja, Neid gibt es immer, aber der ist mir egal, damit habe ich nichts zu tun. Gleichzeitig gibt es aber auch viele, vor allem junge Künstler, heutige Maestros und Maestras, die mich sehr schätzen – Joaquín Cortés, Antonio Alonso, Antonio Canales oder Merche Esmeralda und andere, die alle gerne mit mir gearbeitet haben. Ich habe in Madrid, im „Amor de Dios“ Tanzunterricht für Profis gegeben und wenn jemand kein Geld hatte, habe ich ihn trotzdem unterrichtet. Ich habe auch alle in mein Programm eingebunden, jeder bekam seinen „Paso“, seinen Auftritt, da war dann manchmal für mich kein Platz mehr auf der Bühne, aber es war toll, die verschiedenen Künstler zusammenzubringen. Nach 2 Monaten hat es sich wieder zerstreut, weil alle ihre unterschiedlichen Projekte hatten.
Mich würde noch interessieren, wie sich der Flamencotanz hier in Granada verändert hat.
Ich möchte mich hier nicht zu weit hinauslehnen und auch keine Namen nennen, aber viele der jungen Tänzer und Tänzerinnen haben keine Kraft in den Beinen und es fehlt ihnen an Haltung und Armführung. Natürlich gibt es auch ein paar gute Tänzer, aber viele begnügen sich damit, ihre Jacke herumzuwirbeln und zurechtzurücken. Ich biete den jungen Tänzerinnen und Tänzern immer an, sie zu unterrichten, auch gratis, jeden Tag. Aber leider kommen sie nicht, weil sie woanders arbeiten und sich dort verpflichtet haben oder auch keine Zeit haben. Ich sage auch den Leuten, die in den „Cuevas“ arbeiten, dass sie kommen können, ich unterrichte sie gratis. Ich widme ihnen meine Zeit, weil ich es gerne mache, aber leider kommen die wenigsten von hier, vom Sacromonte. Dafür kommen Leute aus der ganzen Welt, teilweise für eine Monat Intensivkurs und tanzen dann jeden Tag.
Und was ist das Typische am Flamenco aus Granada?
Wir haben ein paar Tänze, die es nur hier gibt. Die Musik ist der aus anderen Bergregionen sehr ähnlich. Die Leute hatten ihre eigenen Feste und es wurde viel auf der Straße getanzt, oder zu bestimmten Festen wie Taufen und Hochzeiten. Daraus hat sich dann die Zambra entwickelt. Es gibt auch noch vier, fünf Tänze, die fast niemand mehr kennt oder tanzen kann. Ich schon.„La cachucha“, „La mosca“, „el Tango parao“ ,ein etwas langsamerer Tango, und noch ein, zwei mehr.
Welche Bedeutung hat der Tanz in deinem Leben?
Vom Tanzen zieht man sich nie zurück, mit dem Tanzen hört man nie auf, der Tanz ist mein ganzes Leben lang da gewesen und Teil meines Lebens.
Gibt es in nächster Zukunft eine Gelegenheit, dich auf der Bühne zu sehen?
Vielleicht. Es gibt Pläne.
Foto: Karin Helml.