Pedro G. Romero (Aracena, Huelva, 1964) studierte Bildende Kunst in Sevilla, wo er auch lebt. Er ist ein Multitalent und arbeitet als Bildhauer, Maler, Performer, Theater-und Drehbuchautor, außerdem ist er Kunst- und Literaturkritiker, Herausgeber, Flamencoexperte und, was unsere Leser natürlich am meisten interessieren wird: Er ist der Mann, der hinter Israel Galván steht. „Los zapatos rojos“, „Arena“, „La edad de oro“, „Lo Real“, all diese Meisterwerke wären ohne Pedro G. nicht das, was sie sind.
Er ist, wie er selbst sagt, der Apparat dahinter. Er ist ein unglaublich gebildeter Mensch, der Israel hilft seine verrückten Ideen auf eine realistische Basis zu stellen um sie verwirklichen zu können.
Und er wird dennoch nicht müde zu wiederholen, dass er ein Verfechter des traditionellen Flamenco ist, der moderne ist eigentlich Israel, neben dem alle andern archaisch wirken.
Wer bist du? Wie definierst du dich selbst?
Ich arbeite als bildender Künstler seit den 80er Jahren und Dank glücklicher Umstände bin ich beim Flamenco gelandet, obwohl ich ursprünglich nur ein Aficionado war. Es ergab sich für mich die Möglichkeit mit den Flamencos zu arbeiten, die ich am meisten bewunderte und ich begann meine Arbeit mit ihnen ernst zu nehmen und von ihnen zu lernen. Letztendlich arbeitete ich nicht nur mit ihnen, sondern ich begann mit der Forschung in der bildenden Kunst, die den Flamenco begleitet oder die er sogar produziert hat.
Welche Art von bildender Kunst?
Fotografie, Video, Malerei, die Beziehungen zwischen der Bohème und den Gitanos mit der Avantgarde und der modernen Kunst, ihre Kreuzungspunkte und wie sie sich gegenseitig beeinflusst haben. Der Flamenco ist ja nicht nur vom historischen Standpunkt aus interessant sondern auch vom sozialen Umfeld her, von den Orten, an denen er passiert und seinen Auswirkungen auf andere Kunstformen.
Kannst du uns ein Beispiel dafür geben?
Ich arbeite im Moment in Wien an einem interessanten Projekt, worin es darum geht, dass in der Zeit des „The red Vienne“ sich Städteplaner inspirieren ließen von der Art und Weise, in der die Gitanos im städtischen Raum lebten und daraus soziale Wohnbauten entstanden. Im Flamencoumfeld verglich zum Beispiel Lorca die Wohnform der Gitanos des Albaicín mit der „machine à habiter“ von Le Corbusier, die praktisch, funktionell und dennoch schön war.
Auch Otto Neurath ließ sich für seine Arbeiterunterkünfte in Wien von den Wohnformen der Zigeuner im Osten inspirieren, sie machten sogar Studienreisen dorthin. Das alles interessiert mich sehr.
Ein anderes deiner bevorzugten Themen ist die Avantgarde.
Ja, aber das ist alles eng miteinander verbunden. Es ist bemerkenswert, dass die Kunst der Avantgarde um das Jahr 1863 beginnt, als Manet nach Spanien kommt um Velázquez zu kopieren und Goya entdeckt und genau in diesem Jahr kommt Silverio Franconetti aus Amerika zurück und das ist ja auch der Beginn dessen, was wir Flamenco nennen. Die Avantgarde und der Flamenco waren immer eng verbunden.
Paradox ist auch, dass sich in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die fortschrittlichen oder modernen Künstler mit dem Flamenco beschäftigten und andererseits die klassischen Künstler moderne Themen behandeln wie das Automobil, den Sport oder die Industrie. Im Flamenco gibt es dann Künstler wie Vicente Escudero, ein absoluter Vertreter der Avantgarde, beeinflusst vom Kubismus und dem modernen Ausdruckstanz und der schafft dann einen Dekalog, der klassischer nicht sein könnte. So was wie die 10 Gebote.
Es gibt kaum Videoaufnahmen von ihm…
Ja, aber es gibt Kritiken wie jene aus New York aus den 30er Jahren, die klingt als spräche man von Merce Cunningham. Da tanzt er nicht nur ohne Musik, er schlägt Steine aufeinander und schafft mit seinem Körper seinen eigenen Rhythmus. Er war seiner Zeit voraus und hat aber nie die Anerkennung oder den Platz bekommen, der ihm zusteht, er war ja auch ein hervorragender Maler und Bühnenbildner.
Diesen Widerspruch von Avantgarde und Tradition merkt man ja auch heute bei Israel Galván oder Andrés Marín.
Ich denke nicht, dass sie sich jemals an den Dekalog gehalten haben aber diese Form des „baile macho“, des männlichen Tanzes haben sie beibehalten. Israel erweist ihm seine Referenz zum Beispiel indem er die Seguiriya von Vicente tanzt, aber das kam erst viel später. Als ich Israel kennenlernte, wusste er auch nicht viel über ihn, man wusste generell sehr wenig.
Du arbeitest ja nun schon sehr lange mit Israel Galván, wie entstehen eure Werke?
Das erste mal kontaktierte er mich bei „Los zapatos rojos“, ich schrieb das Drehbuch und das ganze war wie eine musikalische Collage, aber am Ende war ich auch an der Inszenierung beteiligt um Klarheit zu schaffen. Die brillantesten Ideen kamen meiner Meinung nach von ihm selbst und was von der Flamencoseite kam, erschien mir viel radikaler als das, was von der Theaterseite kam. Wir sind natürlich auch Freunde aber von der kreativen Seite her bin ich so etwas wie der Apparat dahinter.
Israel hat meistens eine Idee oder ein Thema, das ihn beschäftigt und ich versorge ihn dann mit einer Fülle von Material, sei es musikalischer, literarischer, tänzerischer oder kunsthistorischer Art, mit dem er dann arbeitet. So konstruieren wir nach und nach ein Stück, das er dann ausführt und zu Ende bringt. Ich arbeite ja auch an anderen Dingen und bin viel unterwegs, also kommunizieren wir oft nur per Telefon. Ich schicke ihm dieses und jenes, inzwischen kennen wir uns ja sehr gut und ich weiß meistens, was er braucht. Natürlich gibt es da manchmal auch Missverständnisse, ich denke da zum Beispiel an „Arena“, als er mich anrief und sagte, er brauche eine große eiserne Hängematte und ich setzte mich hin und zeichnete und entwarf und als ich sie ihm dann schickte, stellte sich heraus, dass er eigentlich einen Schaukelstuhl wollte und dann ging alles von vorne los.
Das letzte Stück FLA.CO.MEN, das ich übrigens großartig finde und mit dem ich mich total identifiziere, habe ich erst bei der Premiere gesehen, da gab es mehrere Versionen und Israel hat mir davon am Telefon erzählt und physisch war ich erst bei der Aufführung anwesend.
Du greifst also selten direkt ein?
Ich liebe den Flamenco und im Gegensatz zu dem, was die Leute denken oder in den Diskussionen über seine Stücke sagen, bin ich der, der den Flamenco verteidigt. In „Lo Real“ zum Beispiel tanzt er diese wunderbare Soleá und die ist uralt. Das gefällt mir. Ich mag auch das Theater, aber eher das Theater als Konzept und nicht das auf der Bühne. Ich gebe dem Künstler Material, aber ich sage ihm nicht, was er tun soll. Ich will nicht, dass er aus meiner Ästhetik und meiner Poesie seine Flamencoversion macht sondern ich gebe ihm das Werkzeug, mit dem er seine eigene visuelle Vorstellung realisiert. Ich höre ihm zu und helfe ihm, seine eigenen mehr oder weniger verrückten Ideen zu verwirklichen. Er führt nicht meine Ideen aus, diese Beziehung zwischen Regisseur und Tänzer hat mich nie interessiert. Es ist mir lieber, Israel irrt sich, als er führt Ideen von irgend jemandem aus. Ob der Regisseur Recht hat oder nicht ist unerheblich, wichtig ist, dass der Künstler durch seine Irrtümer lernt und seine eigene Welt schafft.
Was sagst du zu seinen neuen Stücken, zu TOROBAKA oder FLA.CO.MEN?
Mit TOROBAKA hatte ich nicht so viel zu tun, ich habe ihm Material gegeben und die Texte geschrieben, aber dieser moderne, ethnische Tanz interessiert mich nicht so sehr. Ihn schon und das verstehe ich, es ist für ihn sehr interessant mit einer Produktionsmaschine wie der von Akram Khan zu arbeiten und natürlich macht er es gut, wie immer, ich habe ja noch nie etwas schlechtes von ihm gesehen.
FLA.CO.MEN finde ich wie gesagt hervorragend und die neue Regisseurin, Patricia Caballero, die ich ihm vorgestellt habe, weil ich sie sehr gut finde, hat ihn einen großen Schritt weiter gebracht. Sie hat ihm geholfen, gewisse Zwänge abzulegen, die in „Lo Real“ noch vorhanden waren, diese fast athletische Anstrengung im Tanz und andere Dinge, die ihn quälten. Patricia half ihm eine neue Arbeitslinie zu finden, ein neues Vokabular und er wirkt sehr befreit, erleichtert, er beginnt den Tanz zu genießen.
Ich spürte eine neue Energie, eine Frische und Leichtigkeit, die ihm, gepaart mit der Sicherheit, dem professionellen Können und der Unterstützung, die er besitzt, erlauben wird in der Zukunft noch interessantere Werke zu schaffen.